Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Wohnen mit Wurzeln – der Traum vom umgebauten Bauernhaus

Viele hegen ihn: den Wunsch, ein altes Bauernhaus für sich herzurichten und darin zu wohnen. Ein Paar mit zwei Kindern hat sich diesen Traum als Bauherrschaft zusammen mit dem Luzerner Architekten Roman Hutter und seinem Team in einem Weiler oberhalb von Sempach erfüllt. Sie haben dort mit viel Respekt vor dem Bestand ein geschütztes Ensemble erneuert, so dass es wieder Lebensqualität für Generationen bietet.

Ganz oben: Doppelhaus Kirchbühl 12/14 (rechts) von der Hauptstrasse her. Darunter: Blick auf die erneuerte Rückseite des Hauses und den wesensgleich wiederaufgebauten Schopf (rechts). Hochformat Mitte links: Die überhohen Küchen schaffen Raum und erinnern zugleich an die Rauchküche, die es vermutlich zu Beginn der Baugeschichte im Haus gab. Hochformat Mitte rechts: Alt und neu verschränken sich im Innern in gekonnter Selbstverständlichkeit. Unten: Helle Hölzer schaffen freundliche Stuben.
Bilder Markus Käch, Emmenbrücke

 

Auf einer Anhöhe an der Ostseite des Sempachersees liegt der Weiler Kirchbühl. Ursprung und Kern der Siedlung ist die kleine Kirche St. Martin. Urkundlich bezeugt ist sie seit 1234; sie prägt den Ort vermutlich aber schon Jahrhunderte länger. Kirchbühl ist aus siedlungsbaugeschichtlicher Sicht einer der bedeutendsten Kirchweiler der Schweiz. Das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz stuft ihn deshalb als von nationaler Bedeutung ein.

Entlang der Hauptstrasse reihen sich im Weiler Wohnhäuser, Scheunen und andere ländliche Bautypen auf. Dicht, aber differenziert an die Erschliessung herangerückt, ähnlich und trotzdem leicht nuanciert ausgerichtet, machen diese Bauten den räumlichen Auftakt zum einzigartigen Kirchenbezirk.


Architektenteam mit einem Händchen für Holz

Ein Blickfang von der Hauptstrasse her ist das prächtige Doppelhaus 12/14. Auf Anhieb verrät nur die Rückseite, dass das Bauernhaus aus dem frühen 18. Jahrhundert an dieser Traumlage von 2017 bis 2019 substantiell und mit grosser Sorgfalt erneuert wurde. Mit gezielten Eingriffen sind Innenräume entstanden, die eine gekonnte Verbindung von uraltem Bestand und zeitgemässen Elementen schaffen – und dabei die jahrhundertealte Geschichte des Wohnhauses erzählen.

An die Hand genommen hat den gelungenen Umbau der Architekt Roman Hutter. Der gebürtige Oberwalliser führt seit 2010 ein zehnköpfiges Architekturbüro in Luzern (www.romanhutter.ch). 120 Projekte stehen mittlerweile auf der Werkliste des Büros Roman Hutter Architektur. Dabei zeigt sich eine deutliche Präferenz: Holz. 

‹Es stimmt: wir schenken dem Material Holz in unserer Arbeit tatsächlich besondere Aufmerksamkeit. Es bietet wunderbare Eigenschaften, die nicht zuletzt zu einem gesunden Wohn- und Arbeitsumfeld beitragen. Wichtig ist uns aber ein materialgerechter, sprich möglichst unverarbeiteter Einsatz›, erläutert Hutter. Das sorgfältig sanierte Bauernhaus Kirchbühl 12/14 ist ein Paradebeispiel für dieses Credo.


Respekt vor dem Bestand

‹Wir interessieren uns für sensible Aufgaben und die damit verbundene Auseinandersetzung mit dem Ort. Dabei möchten wir vorhandene Qualitäten aufnehmen und stärken. Wir leben in einem Land mit einer reichen und vielfältig gewachsenen Baukultur. Diese gilt es zu bewahren und in die Gegenwart zu überführen›, erklärt der Mittvierziger.

Marcus Casutt von der kantonalen Denkmalpflege hat das Architektenteam bei der Erneuerung des Doppelhauses begleitet. Grundlage für die fruchtbare Zusammenarbeit war eine umfassende, über 120 Seiten lange bauhistorische Analyse des Objekts aus der Feder des Büros für Architektur, Denkmalpflege und Baugeschichte ADB in Burgdorf. Der Architekt und Denkmalpfleger Siegfried Möri hat darin jedes Detail am und im Haus akribisch dokumentiert und geschichtlich exakt verortet.


Stimmiger Gegenwert

Die beiden Wohneinheiten des Doppelhauses teilen sich einen hofartigen Gartenraum mit Blick über die weitläufige Wiesenlandschaft. Ein baulich praktisch unverändertes Nebengebäude und ein in Form, Material und Grösse vollumfänglich erneuerter Schopf – die alte Substanz war unrettbar baufällig – bilden zusammen mit dem Bauernhaus ein in sich geschlossenes Ensemble. Das Konzept zur Erneuerung sah vor, die ursprüngliche Anlage im Grundriss beider Wohnungen im Haus wieder erfahrbar zu machen. Die Küchen liegen deshalb wie früher im Norden des Hauses, die angrenzenden Küchenkammern dienen heute als Nasszellen.

Die gewachsene und funktionierende Raumstruktur wurde wo immer möglich belassen. Eine Ausnahme machen die beiden Küchen, die neu zweigeschossig sind. ‹In der Gesamtbetrachtung hat uns die Denkmalpflege erlaubt, zwei Decken zu entfernen, um den Räumen von Norden her mehr Licht zu ermöglichen. Dabei ist uns wichtig zu unterstreichen, dass solche Eingriffe eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten voraussetzen. Was passt, wird von Fall zu Fall in einem intensiven Prozess herausgeschält›, sagt Hutter. Die mit dem Eingriff in den Küchen gewonnene Grosszügigkeit bietet der Bauherrschaft einen stimmigen Gegenwert für den Verzicht auf den Anbau einer zusätzlichen Raumschicht an das Bauernhaus.


Bauliches Signal nach Norden

Ein zweiter Eingriff betrifft die eingangs erwähnte Rückseite des Hauses gegen Norden: Der bestehenden Struktur, die weiterhin tragend wirkt, wurde hier eine neue Schicht vorgelagert, die das Haus auf dieser Seite dämmt. Die Fenster orientieren sich dabei an den bestehenden Öffnungen. Eine dritte Schicht bildet die Fassade und schützt die Konstruktion. Die Hölzer des Stabwerks aus unbehandeltem Fichtenholz wurden sorgfältig gefügt. So entsteht eine Art Ornamentik – ähnlich wie bei den Fichtenschindeln an den anderen Fassaden, wo die Dämmschicht innerhalb der Tragkonstruktion liegt.  Auch die Heizungsanlage wurde erneuert: Sie beruht neu auf zwei Erdsonden als Ersatz für die alte Ölheizung.

Mit dem neuen Innenausbau sollte das Bauernhaus wieder die Stimmung eines ländlichen Holzhauses erhalten. Dafür wurden neue und restaurierte Holzoberflächen gestalterisch kombiniert. ‹Innen gab es gemäss bauhistorischer Analyse leider kaum noch erhaltenswerte Oberflächen›, erklärt Hutter. Viele Wände waren im Laufe der Zeit mit Gipsplatten oder Putz verdeckt worden. ‹Deshalb haben wir versucht, dem Haus wieder eine Seele einzuhauchen – mit Oberflächen, die dem historischen Bestand gerecht werden oder aber, indem wir die historischen Bauteile von nicht erhaltenswerten Schichten befreit haben.›


Architektur und Handwerk als Einheit

Was an der Erneuerung des Bauernhauses ob Sempach vor allem auffällt, ist die Präzision, mit der alt und neu sich verbinden, ohne dass das eine das andere verrät. Das Resultat ist eine gekonnte Selbstverständlichkeit. ‹Wir schaffen bewusst Architektur für den zweiten Blick›, sagt Roman Hutter. ‹Unsere Häuser sollen nicht ‘schreien’, weil sie für Generationen gebaut werden und sich somit in den Kontext einzuordnen haben. Man könnte dies auch als architektonische Nachhaltigkeit bezeichnen. Anders gesagt: Was wir machen, soll auch in 500 Jahren noch ansprechend sein.›

Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Ziel leistete beim Umbau Kirchbühl 12/14 die Qualitätsarbeit der beteiligten Handwerker. ‹Das handwerkliche Fügen verleiht der Architektur ihre zeitlose Kraft›, zeigt sich Hutter überzeugt. ‹Leider geht mit dem unachtsamen Einsatz von Material und Struktur auch das Handwerk verloren. Diesem Umstand versuchen wir zu begegnen, indem wir von Beginn an eng mit Handwerkerinnen und Handwerkern zusammenarbeiten. Voraussetzung dafür ist die Leidenschaft aller Beteiligten, aus jeder Herausforderung die beste Lösung zu entwickeln.›

Diese Passion brachten die beteiligten Unternehmen Haupt AG, Ruswil (Montagebau in Holz Hauptgebäude, Fassadenbau Nord, Innenausbau, Fenster), Helfenstein + Muff Holzbau AG (Schopf), Josef Heini, Grosswangen (Türen), Schreinerei Duss AG, Grosswangen (Wandschränke), Lindauer, Steinen (Küche Kirchbühl 12) sowie Trendparkett, Luzern (Bodenbeläge aus Holz) fühlbar ein. So kommt es heraus, wenn alle Beteiligten an einem Strick ziehen und ihr Bestes geben.
 


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