Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Vom Kindergarten bis zur Matura: Holz-Lerncluster im Rheintal

Letzten Sommer konnte die International School Rheintal ISR ihre neuen Räumlichkeiten in Buchs beziehen. Die Schülerinnen und Schüler nahmen eine ausgedehnte Lernlandschaft in Besitz. Mit dem umweltfreundlichen Holzbau, den integrierten Fotovoltaikanlagen, der Dachbegrünung, der Aussenraumgestaltung sowie der Verbundlüftung orientiert sich der Schulneubau an den Klimazielen 2050.

International School Rheintal ISR, Buchs, 2023 (Baustart Oktober 2021)
Bauherrschaft: ISR Infrastruktur AG, Buchs
Architektur: Kämpfen Zinke + Partner AG, Zürich
Holzbauingenieur/Brandschutz: Makiol Wiederkehr AG, Beinwil am See
Bilder Marco Blessano, Uster

 

Der Grenzort Buchs im St. Galler Rheintal ist internationaler, als manche denken mögen. Dies liegt nicht nur an den Nachbarländern Österreich, Deutschland und Fürstentum Liechtenstein, sondern auch an diversen Betrieben, die auf der ganzen Welt aktiv sind. Der Bedarf nach einer internationalen Schule, welche ihren Unterricht nach globalen angelsächsischen Prinzipien ausrichtet, ist in der Region gegeben.

Die 2002 gegründete International School Rheintal ISR bezog bestehende Liegenschaften an der nördlichen Peripherie der Gemeinde und ergänzte diese parallel zum Bildungsangebot. Nachdem der Unterricht über mehrere Jahre teilweise in vorfabrizierten Raumeinheiten stattgefunden hatte, kündigte eine lokale Familienstiftung 2019 die Finanzierung eines Neubaus an. Durch einen Architekturwettbewerb ermittelte man ein Jahr später das neue Schulgebäude mit einer Doppelturnhalle.

Als Standort stand wenige Schritte nordöstlich der bisherigen Schule freies Wiesland zur Verfügung. Zusammen mit anderen Bildungseinrichtungen, der Hochschule für Technik Buchs NTB (heute OST Campus Buchs) und dem Berufs- und Weiterbildungszentrum Buchs (bzb), sollte die ISR in diesem Quartier zu einem Campus verschmelzen, in dem gelernt, geforscht, gewohnt und die Freizeit verbracht werden kann.


Zwei sich durchdringende Körper

Den Wettbewerb für die neue ISR gewann das Architekturbüro Kämpfen Zinke + Partner AG aus Zürich. Im Oktober 2020 wurde der Wettbewerb ausgelobt, der Spatenstich erfolgte im Oktober 2021, und im August 2023 konnte das Gebäude der Bauherrschaft übergeben werden. Der Neubau ist die Antwort auf die Forderung nach einem ökologisch-nachhaltigen Schulgebäude.

Das Schulhaus mit der Doppelturnhalle besteht im wesentlichen aus zwei kompakten, rechteckigen und unterkellerten Baukörpern mit drei einheitlichen Geschossniveaus. Die beiden leicht zueinander verdrehten Körper durchdringen sich. Der nördliche verläuft in Ost-West-Richtung entlang der Werdenbergstrasse. Er enthält die Doppelturnhalle, die vom Untergeschoss her bis zur Decke des Erdgeschosses reicht. Der südliche Baukörper ist nach Osten verschoben.


Raumkontinuum im Zentrum

Dadurch ergeben sich in der Gesamtform der Schule zwei Versätze. Im nach Norden orientierten befindet sich der Haupteingang der Schule mit einem Vorplatz. Im südwestlichen Versatz ist ein Zugang für die schulexterne Nutzung der Doppelturnhalle untergebracht; eine Treppe führt hier zu den Garderoben ins Untergeschoss. Im südlichen Volumen sind entlang der Fassaden die Klassenzimmer aufgereiht – im Erdgeschoss der Kindergarten und die Unterstufe, im Obergeschoss die Sekundar- und Mittelschule.

Sie liegen an einem breiten Umgang mit Sitzgelegenheiten, der einen offenen Innenhof einfasst. Der nordöstliche Teil dieses Patios reicht bis ins Untergeschoss. Er versorgt die Einstellhalle und den untersten Teil der Schultreppenanlage mit Tageslicht. Nördlich des Innenhofs, an der Schnittstelle zwischen den beiden Baukörpern, ordnete das Entwurfsteam ein ausgedehntes Raumkontinuum an, eine sich nach Westen verengende Foyer- und Begegnungszone, die über alle Geschosse und bis zu den Gebäudeversätzen mit den Eingängen reicht.


Anschaulich und übersichtlich

In den Geschossen über dem Terrain ist die Schule ein Holzbau. Diese Charakterisierung bezieht sich nicht nur auf die sichtbare Tragstruktur in Skelettbauweise, sondern auch auf den Innenaufbau mit natürlich belassenen Holzoberflächen. Die Wahl von Brettschichtholz aus Fichte für die Lastabtragung ermöglichte einen rationellen Baufortschritt. Das natürliche Baumaterial aus dem DACH-Raum bindet rund 1800 t CO2. Dies entspricht den jährlichen CO2-Emissionen von etwa 400 Schweizerinnen und Schweizern.

Überall bis zum Boden reichende Fenster und eine funktionale Möblierung geben dem Gebäude zusammen mit der reduzierten Auswahl an Farben und Oberflächen eine gut lesbare Klarheit. Die Fassaden gliedern die grossen Volumen, geben ihnen eine angenehme Kleinteiligkeit und verleihen der Kombination von Holz und Glas einen angemessenen Ausdruck. Fluchtbalkone und das auskragende Dach unterstützen die Beschattung der Klassenzimmer.


Fotovoltaik über der Terrasse

Das Dach ist teils intensiv, teils extensiv begrünt. Ein Teil ist über eine Fluchttreppe erschlossen und dient den Schulklassen für Anschauungsunterricht im Fach Biologie. Das Dach der Doppelturnhalle ist als grosse, begrünte und mit Fotovoltaikpaneelen teilweise überdachte Terrasse ausgebildet. Sie ist von der Foyerzone und der östlich angrenzenden Schulbibliothek im Obergeschoss erschlossen. Gegliedert wird dieser Freiraum von den acht Obergurten der Halle aus Stahl.

Die Dämmleistung des Schulneubaus wird zu weiten Teilen von der Verglasung und den Holzelementen der Gebäudehülle geleistet, der Einsatz von Dämmstoffen war vergleichsweise gering. Durch einen eingeschossigen unterirdischen Raumanteil wurde der ökologische Abdruck deutlich reduziert und der Betonanteil minimiert, was dem realisierten Projekt von Kämpfen Zinke + Partner AG beim Wettbewerb einen Vorteil verschaffte.


Optimaler Raumkomfort mit wenig Technik

Das gewählte Raumklima-, Energie- und Technikkonzept berücksichtigt die speziellen Nutzungseigenschaften von Schulhäusern. Es wird der Grundsatz verfolgt, dass das Gebäude durch seine Eigenschaften in thermischer Hinsicht passiv für ein angenehmes Klima sorgt und die Technik ausschliesslich der Justierung dient. Die thermische Speichermasse ist somit ein fester Bestandteil des Raumklimakonzeptes, sowohl im Sommer als auch im Winter.

Die raumseitig bewusst massiv gehaltenen, freien Holzdecken sowie die Zementböden ermöglichen eine optimale Nutzung der freien Wärme und verhindern unangenehme Temperaturschwankungen ohne übermässigen Einsatz von Technik. Es wurde eine sogenannte Verbundlüftung in den Schulzimmern und administrativen Bereichen vorgesehen. Die Foyer- und Begegnungszonen bilden dabei die ‹Frischlufttanks›, und die Räume holen sich hier die Luft bei Bedarf direkt selbst. Dies erfolgt präsenzgesteuert über speziell dafür entwickelte passive (Zuluft) und aktive (Abluft) Überströmelemente.

Es braucht keine horizontale Luftverteilung. Die Kanäle befinden sich lediglich in den vertikalen Steigzonen, sind einfach zu reinigen und bleiben zugänglich. Der Ressourcenaufwand und die Grösse der Luftaufbereitungsanlage werden dadurch im Vergleich zu einer konventionellen Lüftung um 50–70% reduziert, weil keine Räume unnötig belüftet werden.


Smartes Low-Tech für gutes Raumklima

Die Wärmeverteilung erfolgt über entlang der Innenwände integrierte Fan-Coil-Klimageräte der neusten Generation, die leise und energieeffizient sind und mit tiefer Vorlauftemperatur (25 °C) zum Heizen auskommen. Die Wärme liefert das bestehende Fernwärmenetz der Kehrichtverbrennungsanlage.

Um auch im Sommer einen hohen Raumkomfort zu gewährleisten, wird über die gleichen Klimageräte gekühlt (Change-Over). Als Kältequelle dient dabei das hoch stehende Grundwasser, welches dank der hohen Kühlwassersystemtemperaturen (20 °C) direkt zur Raumkühlung verwendet werden kann (keine Kältemaschinen).

Zusätzlich zur Installation auf der Terrasse über der Turnhalle werden in jedem dritten Fassadenfeld der Fluchtbalkone Fotovoltaikmodule angebracht; gelochte Solarzellen gewähren Durchsicht. Erwartet wird ein Stromertrag der gesamten Fotovoltaikanlage von ca. 80000 kWh/a. Rechnerisch deckt diese Menge gut ein Drittel des Strombedarfs der Schule.


Dieser Beitrag ist zuerst im Schweizer Energiefachbuch 2024 erschienen. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Architekten.
 

Links www.kaempfen.com | www.holzbauing.ch