Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Vom Baumaterial Laubholz ist noch viel zu erwarten

Der Anteil von Laubholz in unseren Wäldern steigt. Haupttreiber dieser Entwicklung ist der Klimawandel. Viele Laubhölzer haben ein grosses Potential für die Bauindustrie. Damit befasst sich eine Ausstellung an der ETH Zürich. Ihr gelingt es in eindrücklicher Weise aufzuzeigen, dass diese Hölzer mit Sicherheit eine wachsende Bedeutung erhalten werden.

Kronzeuge der immensen Möglichkeiten, die im Material Laubholz stecken: Modell des Hochhauses Pi in Zug in der Ausstellung.
Bild Manuel Pestalozzi

 

Die Ausstellung ‹Potential Laubholz – Neue Wege im Holzbau› wurde vom ETH Material Hub organisiert, der Material-Plattform der ETH Zürich für Lehre und Forschung. Dieses Kooperationsprojekt des Departements Architektur und der ETH-Bibliothek ist in der Baubibliothek auf dem ETH Campus Hönggerberg angesiedelt. Es ergänzt Bücher und Schriften mit Materialmustern. Und dort findet auch die Ausstellung statt, welche die Bedeutung von Laubholz für die Bauindustrie ins Bewusstsein rücken will. Kuratiert hat sie Udo Thönnissen, ein Architekt und Forscher, der für den ETH Material Hub zuvor bereits eine Ausstellung über Holzverbindungen betreut hatte.

Die Ausstellung kommt zur rechten Zeit, denn das Interesse an Laubholz als Baumaterial ist gewachsen. In unseren Breiten ist es in einer zunehmenden Fülle vorhanden, wird aber noch kaum für konstruktive Zwecke nachgefragt, während die Nachfrage nach dem üblicherweise gebrauchten Nadelholz steigt. Die Fichte als ‹Brotbaum› der Holzwirtschaft erträgt die Folgen des Klimawandels in tiefen Lagen aber nur schlecht. Es ist also ein Gebot der Vernunft, dass sich Wirtschaft und Forschung stärker mit den konstruktiven Möglichkeiten von Laubhölzern auseinandersetzen.

Hier bestehe Nachholbedarf, erklärte Udo Thönnissen anlässlich der Vernissage für die Ausstellung; die ganze Industrie sei aktuell auf Nadelholz ausgerichtet. Er sieht diverse Vorteile im Bauen mit Laubholz, so etwa kurze Transportwege und materialsparende Konstruktionen. Es entstehe auch weit weniger Ausschuss als beim Nadelholz. Und selbst krumme Hölzer könne man noch für Baustrukturen nutzen.


Schaufenster der Möglichkeiten

Die Vorzüge von Konstruktions-Laubholz werden in der Ausstellung anhand von konkreten Projekten und Konstruktionssystemen anschaulich gemacht. Sie stellt hybride Systeme vor, aber sinnlich-haptisch prägen Vollholz-Systeme die Schau. Es wird gezeigt, was heute machbar ist – und das ist sowohl im technischen wie auch im ästhetischen Sinn eindrücklich. An der Vernissage machte Udo Thönnissen allerdings klar, dass Laubholz schwieriger zu verarbeiten ist als Nadelholz. Zudem seien das Erreichen des idealen Feuchtigkeitsgehalts und mithin die Lagerung sehr anspruchsvoll.

Prof. Andrea Frangi vom Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich stellte an der Vernissage diverse Strukturen und Konstruktionssysteme mit Laubholz vor, welche in seinem Institut meistens im Rahmen von Doktoratsarbeiten entwickelt werden. Er verglich die Qualitäten von Buchenholz, dem mengenmässigen Spitzenreiter beim hiesigen Konstruktionslaubholz-Angebot, mit jenem von Baustahl. So soll Buchenholz beim Hochhausprojekt Pi in Zug bei Stützen und Decken wie auch im statisch wirksamen Kernbereich zum Einsatz kommen. Pi ist als eindrückliches Holzmodell in der Ausstellung vertreten.

Auch ein Modell des 2010 eröffneten Ferienheims Büttenhardt im Kanton Schaffhausen ist zu sehen, ein dreigeschossiger Vollholzbau. Bei ihm wurde Eichen- und Buchenholz aus dem angrenzenden Wald eingesetzt und gleich auf dem Bauplatz verarbeitet. Der Architekt des Heims, Benjamin Widmer von bernath+widmer Architekten (Zürich) war an der Vernissage ebenfalls zugegen. Er deutete an, dass der Umgang mit dem wenig vertrauten Baumaterial auch ein Lernprozess war, der viel Geduld verlangte. Kein Zimmermann habe Garantien für die Arbeiten mit Laubholz abgeben wollen. Für die notwendige Entkernung der Massivbalken musste man eine spezielle Bohrvorrichtung entwickeln – die maximale Länge der mit ihr möglichen Bohrung bestimmte schliesslich das Bauraster.
 

Die Ausstellung in der Baubibliothek der ETH Zürich, Campus Hönggerberg, Stefano-Franscini-Platz 5, 8093 Zürich, ist bis am 24. Februar 2023 zu sehen. Die Lignum hält aktuelle Fachliteratur zum Konstruieren mit Laubholz bereit.


* Manuel Pestalozzi, dipl. Arch. ETHZ, Journalist BR SFJ, betreibt die Einzelfirma Bau-Auslese. bau-auslese.ch


Links ETH Material Hub | Lignatec ‹Verklebte Laubholzprodukte für den statischen Einsatz› (2021) | Holzbulletin ‹Laubholz› (2021)