Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Technische Lignum-Publikation zum Bauen mit Brettsperrholz

Die Brettsperrholzbauweise eilt international von Erfolg zu Erfolg. Sie könnte den Holzbau auch in der Schweiz weiter stärken – denn damit werden Bauwerke möglich, die bislang dem Massivbau vorbehalten waren. Ende Monat erscheint eine umfangreiche Lignum-Publikation zum Bauen mit Brettsperrholz in der technischen Reihe ‹Lignatec›. Ihr Fokus liegt auf hiesigen Produkten.

Links: Blick auf einen der vier neungeschossigen Brettsperrholz-Türme der Wohnüberbauung ‹Via Cenni› in Mailand (Architektur: Fabrizio Rossi Prodi, Florenz; Holzbauingenieur: Borlini & Zanini SA, Montagnola/Lugano Sud). Rechts oben: Mehrfamilienhaus mit 30 Mietwohnungen in Adlikon (Architektur: Felix Partner Architektur AG, Zürich). Rechts unten: Architektonisch eigenwillig gestaltetes Einfamilienhaus in Brettsperrholzbauweise in Bellinzona (Architektur: DCA Diego Caramma Architecture, Stabio; Holzbauingenieur: Borlini & Zanini SA, Montagnola/Lugano Sud) 
Bilder Andrea Bernasconi (links und unten rechts) | Thomas aus der Au, Winterthur (oben rechts)

 

Was haben die beiden Überbauungen ‹Dalston Lane› im Londoner Stadtteil Hackney und ‹Via Cenni› in Mailand gemeinsam? Es handelt sich bei beiden um hohe Holz-Wohnbauten der letzten Jahre im urbanen Raum. Ausserdem die Grössenordnung: Beide umfassen um die 120 Wohnungen. Und noch etwas haben die beiden Projekte gemeinsam: Sie sind aus Brettsperrholz entstanden, einem Newcomer der Werkstoffentwicklung, der in der Schweiz noch relativ selten in Erscheinung tritt, international aber von Erfolg zu Erfolg eilt.


Dienstleister mit breiten Schultern

Brettsperrholz besteht aus mindestens drei Lagen Schnittholz, die rechtwinklig zueinander verklebt sind. In der Regel ist es Nadelholz, das dafür verwendet wird: Fichte und Tanne, aber auch Föhre oder Douglasie. Aus Schweizer Werken kommen je nach Hersteller Brettsperrholzplatten mit einer maximalen Elementbreite von 3,4 Metern und bis 14 Meter Länge. Ihre Dicke geht von 6 cm bis zu 40 cm. Durch die kreuzweise Anordnung der Lagen trägt das Material in zwei Richtungen.

Durch die Verbindung solcher Elemente entstehen kastenförmige Raumtragwerke für sehr leistungsfähige Tragstrukturen – auch solche, die in anderen Holzbauweisen kaum bewältigbar wären. Damit führt das Brettsperrholz den Holzbau an Objekte heran, die bis jetzt nur in Beton und Stahl möglich waren: eben zum Beispiel grosse und hohe Wohn- oder Bürogebäude in der Stadt, bei denen auch schwierige Randbedingungen aus Belastungen wie Erdbeben zu meistern sind, grosse Gewerbebauten und Hallen – oder auch Brücken.


Ein Kind der neunziger Jahre

Aufgekommen ist dieses Material erst in den neunziger Jahren, und zwar etwa gleichzeitig in Deutschland und Österreich, wo sehr viel in seine Entwicklung investiert worden ist. Brettsperrholz hat dem Baustoff Holz ab der Jahrtausendwende die Tür an vielen Orten auf dem Globus geöffnet, besonders da, wo nicht bereits eine so hochentwickelte Holzbaukultur vorhanden ist wie beispielsweise in der Schweiz. Denn die Brettsperrholzbauweise ist in der Planung und auf der Baustelle viel einfacher als die Rahmenbauweise zu handhaben.

Ein wetterfester Rohbau ist sehr schnell erstellt, weil Tragwerk und Hülle aus grossflächigen, vorgefertigten Elementen entstehen, aus denen Öffnungen für Fenster und Türen einfach ausgeschnitten werden. Vorgegebene Raster sind bei der Brettsperrholzbauweise nicht einzuhalten. Und Begrenzungen der Bauteile ergeben sich lediglich aus den Produktions- und Transportmassen. Die Anforderungen an Statik, Brandschutz und Bauphysik sind mit Brettsperrholz oft einfacher zu erfüllen als in anderen Konstruktionsweisen mit Holz. Das luftdicht verbaute Material schwindet und quillt mit seinen kreuzweisen Lagen kaum, und seine Masse hilft gegen Überhitzung und Schallübertragung.


England als Vorreiter in Europa

Auch in der Schweiz ist ab den neunziger Jahren die Produktion von Brettsperrholz angelaufen und verzeichnet eine kontinuierlich steigende Tendenz, allerdings in viel kleinerem Massstab als in Deutschland und Österreich. Und auch im Bauwesen hat es das Material bei uns noch etwas schwer. Zwar stösst man immer wieder darauf, dass es für Teile von Bauten – Decken oder Wände – gewählt wird, und dies durchaus auch mit sehr grossem Materialverbrauch. Doch von A–Z in  Brettsperrholzbauweise erstellte Gebäude sind in der Schweiz nach wie vor recht dünn gesät, vor allem solche im grösseren Massstab. Die Brettsperrholzbau-Musik spielt vor allem im angelsächsischen Raum: in England, das ein ‹Early Adopter› war, und in Nordamerika.

‹Die Brettsperrholzbauweise hat in der Schweiz tatsächlich Mühe, sich Gehör zu verschaffen›, sagt Andrea Bernasconi. Er muss es wissen: Denn der Bauingenieur, der an der Haute école spécialisée de Suisse occidentale HES-SO lehrt und im Tessin ein eigenes Büro führt, das viele anspruchsvolle Projekte bearbeitet, hat nicht nur in seinem Heimatkanton Bauten vom Einfamilienhaus bis zum Wohn-Mehrgeschosser mit Brettsperrholz realisiert, sondern er kann die hiesige Resonanz auf das Material auch mit dem Ausland vergleichen, wo er ebenfalls damit arbeitet.

In Mailand hat Bernasconis Büro die eingangs erwähnte Überbauung ‹Via Cenni› geplant, die 2013 fertiggestellt wurde. Die ‹Via Cenni› ist ein Aushängeschild des heutigen urbanen Holzbaus. Sie umfasst vier neungeschossige Türme, die untereinander durch zweigeschossige Gebäude verbunden sind. Das Gebäudeensemble verwendet das Material Brettsperrholz nicht nur für die tragende Konstruktion, sondern auch konsequent für Treppenhäuser, Treppenläufe und Aufzugsschächte. 


Vermehrt Holz statt Beton?

‹Das Bauen mit Brettsperrholz hat einen entscheidenden Vorteil›, sagt der Fachmann. ‹Der Punkt ist: Wenn der Planer auch im Holzbau in Flächen denken kann – und das geht eben mit Brettsperrholz –, bietet sich Holz die Chance, sich bei sehr anspruchsvollen Projekten mit Erfolg gegenüber konkurrierenden mineralischen Bauweisen zu behaupten. In der Schweiz ist die Rahmenbautradition aber so fest verankert, dass Alternativen kaum Fuss fassen können›, meint Bernasconi.

‹Das Bauen mit Brettsperrholz hat auch in der hochentwickelten Holzbaulandschaft der Schweiz Potential›, hält der Ingenieur jedoch fest, ‹eben grad da, wo andere Holzbauweisen an ihre Grenzen kommen. Aber es braucht wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit, um diese Bauweise als sinnvolle Erweiterung des ‚Schweizer Normalfalls‘ zum Fliegen zu bringen.›


Lignum-Einführung für Bauplaner

Lignum publiziert Ende September ein umfangreiches Heft in ihrer technischen Reihe ‹Lignatec›, das Schweizer Ingenieure und Architekten in die Brettsperrholzbauweise einführt und dabei auf die Angebotspalette hiesiger Hersteller fokussiert. Denn Brettsperrholz aus Schweizer Holz verstärkt die bekannten CO2-Vorteile des Materials noch. So zeichnen sich Produkte aus hiesigem Holz insbesondere durch kurze Transportwege aus.

Das neue Lignatec ‹Brettsperrholz aus Schweizer Produktion› vermittelt die Grundlagen der Bauweise anhand von Bemessungstabellen, einfachen Rechenbeispielen und konstruktiven Lösungen. Angesichts des Trends zu einheitlichen Querschnittsaufbauten haben sich die als Industriepartner an der Publikation mitwirkenden Schweizer Anbieter auf Standardquerschnitte und Standardlamellendicken geeinigt. So werden produktübergreifende Vordimensionierungshilfen möglich, die im Heft wiedergegeben werden.

 

Lignatec 32/2020
Brettsperrholz aus Schweizer Produktion
Erscheint Ende September 2020
Autoren: Gerhard Gysel, Pius Schuler AG; Werner Leibundgut, Schilliger Holz AG; Gunther Ratsch, Lignum; Franz Schmidiger, Sägerei Schmidiger AG; Adrian Schwammberger, CLT Suisse; Prof. Martin Geiser, BFH Biel (Kap. Erdbeben); Dr. Michael Klippel, ETH Zürich (Kap. Brandschutz)
Herausgegeben mit massgeblicher finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Umwelt BAFU, Aktionsplan Holz
72 Seiten A4, vierfarbig
Lignum-Mitglieder erhalten das neue ‹Lignatec› Ende September automatisch und kostenlos per Post. Nichtmitglieder können es ab Ende Monat bequem online bestellen.

 

Die technische Beratung der Lignum erteilt unter Tel. 044 267 47 83 von Montag bis Donnerstag jeweils morgens von 8–12 Uhr kostenlos Auskunft zu allen Fragen rund um Holz und seine bauliche Anwendung.