Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Schweizer Bauforum 2022: ‹Kreislaufwirtschaft konkret›

Nachhaltiges Bauen gelingt nur, wenn man in Kreisläufen denkt. Darüber waren sich die Referierenden am 5. Schweizer Bauforum zum Thema ‹Nachhaltiges Bauen – Nachhaltige Immobilien› am 16. November einig. Rund 150 Bau- und Immobilienfachleute kamen dazu in der ‹Suurstoffi› Rotkreuz zusammen.

Claudia Lüling, Architektin und Nachhaltigkeitsberaterin bei der Werner Sobek AG, forderte einen Paradigmenwechsel hin zum ‹closed loop design›. Darin begreift sich das Gebäude als Lebensabschnitt des verwendeten Materials, als temporärer Ressourcenspeicher. Als Beispiel für diesen Ansatz stellte sie die Experimentaleinheit ‹Urban Mining & Recycling› (UMAR) im Experimentalbau NEST in Dübendorf vor.
Bild HSLU

 

Ivo Angehrn, Leiter Beratung Nachhaltigkeit und Digitalisierung bei Drees & Sommer, sprach über die wichtigsten Säulen der Kreislaufwirtschaft im Baubereich: den Bestand möglichst erhalten, Bauteile wiederverwenden, Materialien rezyklieren und Neubauten kreislauffähig machen. Gerade das Potential des ‹Urban Mining›, des Wiederverwendens von Bauteilen, sei gross; die Gebäude von heute seien die Rohstoffe von morgen.

Markus Steinmann, Geschäftsführer der Senn Technology AG, betonte, es müsse im Planungsprozess viel früher als heute klar sein, was wie gebaut werde, damit zum Beispiel auch die Trennbarkeit der Materialien für die künftige Wiederverwendung gewährleistet sei. Als Beispiel präsentierte er das Experimentalprojekt ‹Hortus› von Herzog & de Meuron, das neue Standards in Sachen Nachhaltigkeit setzen und bereits nach dreissig Jahren energiepositiv sein soll. Auch wenn ein solches Projekt heute noch einen enormen Aufwand bedeute, müsse man sich darüber im klaren sein, dass das die Zukunft sei.


Ringen um Lösungen

Kerstin Müller, Co-Geschäftsführerin der Zirkular GmbH, hob ebenfalls die Dringlichkeit hervor, neue Wege des Bauens zu finden, und sprach von einem ‹Ringen um Lösungen›. Sie betonte, dass der Erhalt bestehender Bauten die höchste Form der Kreislaufwirtschaft sei. Im Berufsalltag fordere sie deshalb immer wieder dazu auf, zu überdenken, ob ein Ersatzneubau wirklich nötig sei.

Philippe Jorisch von JOM Architekten AG, Präsident der Berufsgruppe Architektur des SIA, unterstrich, wie wichtig es sei, dass sich grosse Berufsverbände wie der SIA zum Thema Kreislaufwirtschaft in die Politik einbrächten. Marvin King, Architekt und Bauökonom an der Hochschule Luzern, referierte unter anderem über die Bilanzierung der Umweltbelastung eines Gebäudes von der Realisierung bis zur Entsorgung. Mark Inderbitzin von Boltshauser Architekten zeigte anhand konkreter Projektbeispiele aus seiner Praxis auf, wie sich der Lehmbau in den letzten Jahren weiterentwickelt hat.


Bauteil-Recycling als rechtliches Neuland

Architekt und Jurist Oliver Streiff, Dozent an der ZHAW, beleuchtete die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Wiederverwendung von Bauteilen. Noch sei das Recht nicht für diese neue Baupraxis eingerichtet, denn es ergebe sich daraus ein neuartiges Geflecht von Vertragsbeziehungen. Dieser neuen Komplexität müsse das Recht Rechnung tragen. Zwischenhändler, welche Bauteile sammeln, lagern und zur Wiederverwendung verkaufen, würden das rechtliche Konstrukt vereinfachen; bis jetzt sei dieses Geschäftsmodell allerdings noch selten. Trotz der auf den ersten Blick hohen Komplexität der Abhängigkeiten motivierte er zum Handeln und damit zum Finden zunehmend einfacher Lösungen.

Jürgen M. Volm, Dozent an der Hochschule für Technik Stuttgart und Partner bei der pom+consulting AG, zeigte zum Schluss auf, dass doch noch zahlreiche Kreisläufe auf dem Weg zur Circular Economy geschlossen werden müssten: von der gezielten Förderung des zirkulären Bauens durch den Gesetzgeber bis zum einheitlichen Zirkularitätsindex zur Bewertung der Kreislauffähigkeit. Volm erinnerte zudem daran, dass Fachpersonen für die Kreislaufwirtschaft erst einmal ausgebildet und neue Berufsbilder – vorstellbar wäre etwa ein ‹Circular Engineer› – geprägt werden müssten.


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