Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Neue Chancen für Tessiner Kastanie

Im Tessiner Wald ist die Edelkastanie weit verbreitet. Die hochwertige Nutzung ihres wertvollen Holzes ist jedoch noch wenig entwickelt; der Rohstoff wird vor allem energetisch genutzt. Nun eröffnen sich mit der Herstellung von Brettschichtholz interessante Perspektiven für die Anwendung im Bauwesen.

Verklebter BSH-Träger im Rohzustand – nach der Verklebung und vor dem Hobeln.
Bild Andrea Bernasconi, Yverdon

 

 

Der Einsatz von Laubholz im Bauwesen gilt in der Fachwelt als eine vielversprechende Entwicklung. Dabei steht die Herstellung von verklebten Holzmaterialien für die Nutzung im tragenden Bereich im Vordergrund. Insbesondere die Buche und die Esche scheinen prädestiniert zur Herstellung von Brettschichtholz und weiteren Produkten mit hervorragenden mechanischen Eigenschaften.

 

Diese Technologien haben einen langen Weg zurückgelegt, bis sie in die praktische Anwendung Eingang gefunden haben. Bereits in den achtziger Jahren wurden in der Schweiz die ersten Tragwerke aus Buchen-Brettschichtholz erfolgreich hergestellt. Erst in den letzten Jahren aber ist es zur laufenden Produktion und zur Definition von Standards und Richtlinien für die Anwendung gekommen.

 

Tessiner Kastanie – mehr als Marroni

 

Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich ab, wenn man den Blick nach Süden richtet und sich die Holzart Edelkastanie näher anschaut. Diese früher wegen ihrer Früchte als Nahrungsquelle wichtige Baumart ist auch heute noch in den Tessiner Wäldern weit verbreitet, und ihr Holz ist dementsprechend gut verfügbar.

 

Das ist der Ausgangspunkt für ein Projekt, das die Produktion von Brettschichtholz aus Kastanie für den Einsatz im Bauwesen verfolgt. Die Anwendung von Kastanienholz in Form von tragenden Holzquerschnitten setzt die Produktion von Brettschichtholz voraus, da nur durch das Aussortieren und das Wiederzusammenfügen der kleineren Teile eine brauchbare Qualität des Endproduktes und eine vernünftige Ausbeute erreicht werden können.

 

Bereits in den neunziger Jahren wurde an einem ersten Projekt zur Herstellung von Brettschichtholzträgern aus Tessiner Kastanienholz gearbeitet. Es ist an einer unausgereiften Produktionsanlage gescheitert, vermochte aber doch zu zeigen, dass der Ansatz nicht falsch war.

 

Leistungsfähige Produktionslinie im Tessin vorhanden

 

Zur Produktion von Brettschichtholzelementen wurden nun in einem neuen Projekt Lamellen mit einer Dicke von 30–35 mm und einer vorerst auf 150 mm beschränkten Breite hergestellt. Es konnte festgestellt werden, dass diese Querschnitte in Längen von 2 m bis etwa 5 m produziert werden können. Betrachtet wurde ein für das gesamte Gebiet der Tessiner Wälder repräsentatives Holzsortiment. Die Rohlamellen wurden in der Trocknungskammer getrocknet und anschliessend nach Festigkeit sortiert.

 

Die Verfügbarkeit eines Brettschichtholzwerkes im Tessin war Voraussetzung für die konkrete Umsetzung des Projekts. Dabei handelt es sich um eine relativ kleine, aber moderne, leistungsfähige und sehr flexibel aufgebaute Produktionslinie. 

 

Obwohl die gesamte Anlage für die Bearbeitung von Nadelholz konzipiert ist und so betrieben wird, erlaubt sie den kurzfristigen Eingriff in sämtliche Produktions- und Einstellungsparameter. So lässt sich zum Beispiel die bereits vorhandene Klebstoffauftragsanlage ohne weiteres vorübergehend auf die nötigen Klebstoffmengen und Pressdrücke für die Bedürfnisse der Kastanienholzverarbeitung umstellen.

 

Brettschichtholzträger im Waadtland auf dem Prüfstand

 

Im Dezember 2017 konnten im Tessin die ersten Brettschichtholzträger aus Tessiner Kastanienholz produziert werden. Es wurden 30 Träger hergestellt, und zwar mit Querschnitten bis 480/150 mm und mit Längen bis über 9 m. Die Träger wurden in ein Tragwerksprüflabor im Waadtland gebracht, wo sie nun zusammen mit ca. 200 Einzelbrettern und  400 keilgezinkten, gestossenen Brettern auf Steifigkeit und Festigkeit experimentell untersucht werden.

 

Die Bruchproben und die Zerstörung dieses Materials werden eine erste Abschätzung der Festigkeit und eine mechanische Charakterisierung erlauben. Diese Ergebnisse werden als Grundlage dienen, um das restliche und noch in Form vor Rohlamellen eingelagerte Material gezielt und nach neu festgelegten Regeln in die Produktion zu schicken; damit soll die in der Produktion erreichbare Qualität bestätigt werden.

 

Die ersten Ergebnisse sind auf jeden Fall zufriedenstellend. So steht zu erwarten, dass Kastanienholz aus dem Tessin künftig wohl auch im Bauwesen wieder Anwendung finden wird. Entscheidend für das Gelingen des Projekts sind das Interesse und der tatkräftige Einsatz der gesamten Holzkette. Das Projekt wird von federlegno.ch – also von der gesamten lokalen Holzkette – getragen und von der kantonalen Wirtschaftsförderung finanziell unterstützt.

 


Link www.federlegno.ch

 

 


*Dr. Andrea Bernasconi (Borlini & Zanini SA, Pambio-Noranco/Lugano) ist Professor für Holzbau und Holztechnologie an der Hochschule für Wirtschaft und Ingenieurwissenschaften des Kantons Waadt in Yverdon.