Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Lignum-Holzbulletin im Dezember: Weiterbauen mit Holz

Klimagerechtes Bauen heisst zuerst: dem Bestand Sorge tragen. Die imposante Bernapark-Aufstockung auf dem Areal der ehemaligen Kartonfabrik Deisswil, die mit dem Prix Lignum 2021 ausgezeichnete Erneuerung und Aufstockung eines Mehrfamilienhauses in Vevey, die Hofbebauung Riehenring in Basel, die Aufstockung und Sanierung eines Reihenhauses in Zürich-Unterstrass sowie die gelungene Erweiterung zweier Mehrfamilienhäuser in Lausanne stehen im Zentrum des Dezember-Holzbulletins der Lignum zum Thema ‹Bauen im Bestand›.

Holzbulletin 145/2022
Bauen im Bestand
32 Seiten A4, vierfarbig
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Die Ausgabe 145/2022 ‹Bauen im Bestand› ist ab Anfang Januar 2023 im Lignum-Shop bestellbar. Lignum-Mitglieder erhalten sie zwischen Weihnachten und Neujahr.
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Bereits 2015 stellte Architekt und Holzbaupionier Beat Kämpfen in einem Interview für das Themenheft 42 ‹Erneuern› des Faktor-Verlags fest: ‹Wir brechen zuviel ab.› Eine Erkenntnis, die sich heute breit durchzusetzen beginnt: Betrachtet man bei einem Gebäude nicht nur die Energieeffizienz im Betrieb, sondern den ganzen Lebenszyklus, dann rückt die graue Energie bei der Erstellung in den Fokus. Und damit auch die Ressourcen, die bei einem Ersatzneubau durch den Abriss des Vorgängerbaus vernichtet werden.

In Deutschland entstehen jedes Jahr 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle, was 55% des gesamten Abfalls ausmacht. So steht es auf der Webseite abrissmoratorium.de. Und weiter: ‹Statt Abriss und Neubau stehen wir für Erhalt, Sanierung, Umbau und Weiterbauten im Bestand. Jeder Abriss bedarf einer Genehmigung unter der Massgabe des Gemeinwohls, also der Prüfung der sozialen und ökologischen Umweltwirkungen.› Unerzeichnet hat dieses Statement unter anderem der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA.

In der Schweiz liegt der Anteil des Bauschutts am Abfall sogar bei 84%, was 500 kg pro Sekunde entspricht. Eine stetig wachsende Zahl von Architekturschaffenden, die sich unter dem Namen ‹Countdown 2030› zusammengeschlossen haben, verlangt deshalb in einer Petition an Parlament und Bundesrat mit einem Programm in fünf Punkten, den unhinterfragten Abriss von Gebäuden und die massive Verschwendung von Ressourcen und Energie beim Bauen zu stoppen (siehe gesonderten Beitrag im Lignum Journal online von heute Montag).


Lebenszusammenhänge erhalten

Dass es beim Bauen im Bestand nicht nur um Nachhaltigkeit im Sinne von Klimaschutz geht, zeigt auch die Broschüre ‹Die Zukunft beginnt im Bestand›. Sie präsentiert die Resultate einer Studie, die im Rahmen des Ersatzneubauprojekts für die Siedlung Bergacker in Zürich-Affoltern unentgeltlich und in Eigeninitiative unter anderem von ETH-Studierenden im Austausch mit Eigentümerinnen und Bewohnern angefertigt wurde.

Denn werden ganze Siedlungen abgerissen, gehen auch soziale Netzwerke, bezahlbarer Wohnraum und über Jahrzehnte gewachsene Nachbarschaften verloren. ‹Wir brauchen eine neue Praxis, die viel stärker mit dem Bestand arbeitet›, so das Fazit der Autorinnen und Autoren. Eine der Forderungen lautet: aufstocken und anbauen statt abreissen – und Nachverdichtungen sollen ohne Bestandsvernichtung CO2-arm realisiert werden.


Exemplarische Holzbauten

Dass sich dafür der Holzbau besonders gut eignet, zeigen die beiden bereits realisierten Projekte, welche die Broschüre als Beispiele nennt: die Siedlung Friedrich-Inhauser-Strasse in Salzburg für eine ökologische und sozial nachhaltige Modernisierung und die Sanierung und Aufstockung des Mehrfamilienhauses an der Saumackerstrasse in Zürich für
eine ökologische Modernisierung, die aus dem Architekturbüro von Beat Kämpfen stammt.

Das Projekt in Salzburg von cs architektur & stijn nagels architecture atelier erneuert eine Siedlung mit Baujahr 1985 und erweitert diese gleichzeitig mit einer zweigeschossigen Aufstockung in Hybridbauweise. Dem Eingriff stellte der gemeinnützige Bauträger Heimat Österreich ein Forschungsprojekt voran: In zwei Studien ging das Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen der Frage nach, wie sich bestehende Wohnbauten aufwerten lassen, ohne einen grossen ökologischen Fussabdruck zu hinterlassen. Das Projekt wurde soeben mit dem Bauherrenpreis 2022 der Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten Österreichs ausgezeichnet.

Das erneuerte Mehrfamilienhaus in Zürich-Altstetten von Kämpfen Zinke + Partner mit Baujahr 1947 wurde energetisch erneuert. Die Aufstockung in vorfabrizierter Holzbauweise um ein Geschoss ergänzt die Liegenschaft der Stiftung PWG um weitere sechs auf insgesamt 27 Wohnungen. Auch die neuen Balkone auf der Ostseite bestehen vollständig aus Holz; sie wurden in druckimprägnierter Buche konstruiert.


Baukultur mit Klimanutzen

Auch die in dieser Holzbulletin-Ausgabe vorgestellten Objekte belegen, dass das Bauen mit Holz im Bestand qualitätsvolle Architektur ermöglicht, die einem hohen baukulturellen Anspruch genügt. Dazu gehören eher kleine bauliche Eingriffe wie die zeitgemässe Interpretation einer Aufstockung bei einem Reihenhaus aus den 1920er Jahren in Zürich- Unterstrass, die gekonnte Verbindung zweier freistehender Mehrfamilienhäuser in der Stadt Lausanne oder die Aufstockung in Vevey, mit der gleichzeitig auch eine Aufwertung des Quartiers gelang.

Aber auch einen Neubau in Basel stellen wir vor: Im dreieckigen Hof einer bestehenden Blockrandbebauung entfaltet der viergeschossige Hybridbau spannungsvolle Räume und füllt den Hof mit neuem Leben. Die Bernapark-Aufstockung in der Agglomeration der Stadt Bern wiederum zeigt, wie sich in grossem Massstab und in einem denkmalgeschützten Kontext neuer Wohnraum schaffen lässt, ohne Bausubstanz zu zerstören oder auf der grünen Wiese zu bauen.

Laut den Zahlen des neuesten Immo-Monitorings von Wüest Partner wächst der Umbau schon seit einiger Zeit stärker als der Neubau, aktuell sind es beim Neubau nominal +2,7%, beim Umbau +8,3%. Das Netto-null-Ziel und die damit einhergehenden Regulierungen und Fördermassnahmen hätten den Trend, Gebäude zu sanieren und für die Zukunft fit zu machen, in Gang gesetzt, so das Fazit von Wüest Partner. Holz ist dafür ein guter Partner, auch weil das Material gleichzeitig als CO2-Speicher dient. Wir wünschen Ihnen bereits heute erholsame Weihnachtsfeiertage und eine gute Lektüre.


Jutta Glanzmann
Technische Kommunikation Lignum

 
 
Quellen
Faktor Erneuern, Themenheft Nr. 42, Faktor Verlag, Zürich, Oktober 2015
www.countdown2030.ch
Flyer ‹Die Zukunft beginnt im Bestand›, www.beispiel-bergacker.ch, 2022
Immo-Monitoring 2023/1, Wüest Partner AG, Schweiz, Oktober 2022