Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Holz in der Region Mitte: hochmodern und traditionell zugleich

In der Region Mitte trägt der spektakuläre Firmensitz von Swatch in Biel den ersten Rang davon. Er lotet die Grenzen der digitalen Produktion aus. Gekonnt verspielt zeigt sich auf dem zweiten Rang der Kindergarten in Ittigen. Aus dem uralten Bestand entwickelt sich der Einbau in eine Walliser Stallscheune im dritten Rang. Vier weitere Projekte erhalten eine Anerkennung.

67 Eingaben zum Prix Lignum zählte 2021 die Preis-Region Mitte (BE-d, FR-d, VS-d). Auf dem Podest stehen hier das Swatch-Hauptgebäude in Biel (1. Rang, oben), der Neubau eines Vierfach-Kindergartens in Ittigen (2. Rang, Mitte) und der Einbau in einer Stallscheune in Gluringen im Wallis (3. Rang, unten).
Bilder Nicolas Grosmond (oben) | Alexander Gempeler (Mitte) | Markus Käch (unten) | Prix Lignum 2021

 

Über acht Jahre plante und baute die Swatch Group an ihrem neuen Hauptsitz in Biel. 2019 wurden die drei Neubauten feierlich eröffnet. Der japanische Architekt Shigeru Ban entwarf zwei Holzgebäude, die sich in den Bestand einfügen: ein Bürohaus für Omega und ein Museum. Für die Uhrenmarke Swatch sollte es medienwirksamer sein. Also plante der Architekt ein 240 m langes Gebäude, das sich von der Laderampe bis zum Haupteingang durch den Park windet, die Strasse monumental überdacht und in einen Konferenzsaal im Museumsgebäude mündet.

Die Konstruktion ist eine digitale Meisterleistung (Bauherrschaft: Swatch Group, Biel; Architektur: Shigeru Ban Architects, Paris/Tokio; Gesamtleitung, Ausführungsplanung, Baumanagement: Itten + Brechbühl, Basel; Bauingenieur: SJB Kempter Fitze, Frauenfeld/Schnetzer Puskas Ingenieure, Bern/Création Holz, Herisau; Holzbau: Blumer-Lehmann, Gossau; Schreinerei: Röthlisberger Innenausbau, Gümligen).


Aufgebaut aus Tausenden von individuellen Einzelteilen

Der Holzbauer fertigte das Dach als Netztragwerk, in dem alles mit allem zusammenhängt und in dem es keinen rechten Winkel gibt. 4600 unterschiedliche, millimetergenau gefräste Hauptelemente haben die Zimmerleute nach einem ausgeklügelten Prinzip zusammengesteckt. Den längsten Träger flochten sie über 130 m durch die Struktur. 

Die ‹Schlange› ist das aufsehenerregendste Gebäude, das in Biel je gebaut wurde. Es trägt das Holz medial in die Welt hinaus und lockt Touristen wie Mitarbeiterinnen in die Stadt. Mit der ausgeklügelten Dachkonstruktion stösst der Holzbau in neue Sphären der digitalen Planung und Fertigung vor. Das Tragwerk ist eine Sonderanfertigung an der Grenze des technisch Möglichen, das der Holzbaubranche ein neues, prägnantes Image verleiht.


Ruhe und Bewegung – Vierfach-Kindergarten Rain

Wie müssen Bauten für Kinder beschaffen sein, damit sie zum anregenden Lern- und Spielumfeld werden? Der Kindergarten Rain in Ittigen macht es vor: Das Draussen, Drinnen und Dazwischen bilden ein organisches Ganzes, in welchem das Material Holz einen gewichtigen Part übernimmt, sowohl konstruktiv als auch atmosphärisch.

Das Gebäude ist eine reine Holzkonstruktion (Bauherrschaft: Gemeinde Ittigen; Architektur: Büro B Architekten, Bern; Bauingenieure: Indermühle Bauingenieure, Thun; Holzbau: Wenger Holzbau, Steffisburg; Schreinerei: Hinze Fensterbau, Tecknau/Forster, Oberburg/Joss Schreinerei, Ittigen). Es ist vertikal und horizontal klar strukturiert, das Holz innen und aussen so behandelt, dass es zum einheitlichen Erscheinungsbild beiträgt: Die wetterexponierten Holzteile sind farblos druckimprägniert und hell geölt, die übrigen Elemente mit pigmentiertem Öl behandelt.

Die Anlage kommt dem haptisch-sinnlichen Erleben der Kinder auf eine angenehm unaufdringliche Art entgegen, ohne kleinmassstäblich zu sein. Trotz schwieriger Ausgangslage haben die Architekten einen stimmungsvollen Ort geschaffen, der Bewegung und Ruhe ausstrahlt. Im Wechselspiel von Innen und Aussen, von geschlossenen, durchlässigen und offenen Räumen schafft der Kindergarten Rain eine Atmosphäre heiterer Geborgenheit: rational und verspielt zugleich.


Metamorphose einer Stallscheune im Wallis

Besucher des alten Dorfteils von Gluringen in der Oberwalliser Gemeinde Goms werden kaum erkennen, welches der schönen alten Gebäude entlang der Dorfstrasse umgebaut und nun prämiert wurde. Denn der gebürtige Gommer Architekt Roman Hutter suchte Wege, um möglichst unauffällig Neues in Altes hineinfinden zu lassen.

Dass die Verwandlung des zuvor unbenutzten Stalls (Bauherrschaft: Familie Imoberdorf, Gluringen; Architektur: Roman Hutter Architektur, Luzern; Holzbau: Holzbau Weger, Münster) so zurückhaltend ausfällt, zeugt von der Liebe zur Bausubstanz und Landschaft und zahlt sich für das intakte Dorfbild aus. In die ‹Üsserschwiiz› ausgewanderte Heimweh-Gommer nutzen das Haus neu als Zweitwohnsitz.
 
Die Offenheit der Bauherrschaft für diese reduzierte Lösung und der Umgang des Architekten mit dem gegebenen Freiraum verdienen einen Preis. Das Projekt zeigt: Wer sensibel vorgeht, kann Altes transformieren, ohne gewachsene Strukturen zu zerstören. Diese ‹kulturelle Vorwärtsbewegung› ist an vielen Orten in der Schweiz dringend nötig.


Vier Werke in der Region Mitte würdigt die Jury mit einer Anerkennung für den hochwertigen und zukunftsweisenden Einsatz von Holz: Schulhaus Seedorf; Anbau Mehrfamilienhaus, Brügg; Lokremise, Zweisimmen; Umbau und Sanierung Bueberseeli im Marzilibad, Bern.


Link www.prixlignum.ch