Lignum Holzwirtschaft Schweiz

‹Hölzige› Schweizer Hilfe zur Selbsthilfe in der Ukraine

In der Ukraine haben viele Menschen wegen des Krieges ihr Zuhause verloren. Zwei Schweizer Holz-Unternehmer wollen das nicht einfach hinnehmen: Sie haben in kürzester Zeit ein Wohnmodul für obdachlose Familien im Kriegsgebiet entwickelt. Bis morgen nachmittag kann man das Minihaus in der Halle des Hauptbahnhofs Zürich in Augenschein nehmen – und für dessen Produktion in der Ukraine spenden.

Handeln statt zusehen: Nach diesem Motto sorgen der Holzfensterproduzent Martin Huber aus Herisau und der Holzbauunternehmer Enrico Uffer aus Savognin dafür, dass durch den Krieg obdachlos gewordene Menschen in der Ukraine auf raschen Ersatz für ihre zerstörten Wohnungen hoffen können. Der Prototyp des Wohnmoduls, das sie gemeinsam entwickelt haben, steht noch bis morgen mittag in der Halle des Zürcher Hauptbahnhofs. Dann wird das Minihaus in Einzelteile zerlegt und geht per Lastwagen direkt in die Ukraine. Dort soll das Wohnmodul dann in Serie gefertigt werden.
Oben: Das Minihaus bietet mit Windfang und Sitzbank am Eingang einen warmen Empfang. Mitte oben: Ein Crowdfunding soll helfen, bis zum Winter die Produktion von bis zu 40 Einheiten in der Ukraine zu finanzieren. Mitte unten: Sie stehen hinter dem Ukraine-Projekt: Holzbauer Enrico Uffer (links) und Fensterproduzent Martin Huber (rechts). Unten: Sie bringen aus der Schweiz einen ganzen Lastwagen voll Hoffnung für den Wiederaufbau in der Ukraine zurück: Sergej Medvedchuk (2. v. r.) und sein Mitarbeiterteam.
Bilder Michael Meuter, Zürich

 

Martin Huber ist Fensterproduzent. Er benötigt viel Eiche. Dieses Holz bezieht er zumeist aus der Ukraine. Seine Lieferantin ist die Firma divario in Ivanov, südwestlich von Kiew. Huber ist Miteigentümer der Firma. Deshalb ist er aus erster Hand über das Leid informiert, das der Krieg in der Ukraine anrichtet. Der Direktor des Unternehmens divario, Sergej Medvedchuk, kann ihm nicht nur eine, sondern viele Geschichten von Mitarbeitern erzählen, die kein Zuhause mehr haben, weil Raketen es in Schutt und Asche gelegt haben. Wo sollen die Menschen unterkommen, die der Krieg zu Obdachlosen gemacht hat?

Das Unternehmen divario stellt Kanteln her. Das ist nicht dasselbe wie Holzbau. Aber könnten die Mitarbeiter nicht dennoch lernen, selber ein einfaches, seriell wiederholbares Holzhaus zu fertigen? Das war der Grundgedanke, den Huber im Kopf hatte, als er den Holzbauunternehmer Enrico Uffer anrief, den er von Bauprojekten im Engadin her kannte. Und dann ging alles ganz schnell: Uffer bot vom Fleck weg Hand, und innert vierzehn Tagen wurde unter der Leitung von Diego Casparin in der Uffer-Werkhalle in Savognin ein von A–Z durchdachtes Wohnmodul konzipiert und gebaut, das eine Familie aufnehmen und sie heil durch den nächsten Winter bringen kann.


Minihaus für eine Familie

Etwas mehr als sieben Meter lang, knapp fünf Meter breit und zweieinhalb Meter hoch ist das Wohnmodul, das Uffer für diesen Zweck mit Vollgas enwickelt und als Prototyp hergestellt hat. Drei entsprechend ausgebildete Leute können es in weniger als drei Stunden aufstellen, das hat der Testlauf im Zürcher Hauptbahnhof gezeigt. 14 cm Steinwolledämmung halten das Minihaus warm. Das Äussere prägt unbehandeltes Fichtenholz, das Innere OSB. Die Warmwasserbereitung erfolgt elektrisch; die benötigte Raumwärme liefert ein Stückholzofen.

Das Wohnmodul bietet Platz für eine Familie mit ein bis zwei Kindern. Im Inneren findet sich alles, was es für das Leben braucht: Raum zum Schlafen und Wohnen, eine Kochnische, eine Nasszelle mit Dusche und WC, ein Waschturm mit Waschmaschine und Tumbler und auch etwas Stauraum. Auf der einen Schmalseite liegt der Eingang, auf der andern flutet das Tageslicht durch zwei grosse Fenster herein. Das Modul lässt sich als Solitär aufstellen, aber auch reihen und stapeln, wie Projektleiter Casparin erklärt. ‹So kann man daraus auch grössere Unterkünfte bilden. Erschliessen kann man sie dann zum Beispiel mit einem kalten Laubengang.›


Das Wissen in den Händen

Hergestellt und aufgebaut haben das erste derartige Minihaus Sergej Medvedchuk und drei Mitarbeiter mit ihren eigenen Händen. Sie wissen jetzt genau, welche Materialien es dafür braucht und wie der Bauablauf und der Transport funktionieren. Mit den Plänen, die sie von Uffer bekommen, und dem Prototyp als 1:1-Modell, den sie morgen nachmittag per Camion in die Ukraine fahren, verfügen sie über die Grundlagen, um aus eigener Kraft rasch Unterkünfte für notleidende Familien aufzubauen. Der Verein Ukraine-Hilfe sammelt für die Serienproduktion.

Die Aufwendungen für den Prototyp und die Ausbildung der Ukrainer streichen sich die beiden Schweizer Unternehmer ans Bein. Eine ‹Feuerwehrübung› sei es gewesen, sagt Holzbauunternehmer Enrico Uffer. Aber er habe nicht einfach bloss den Kopf schütteln und Mitleid haben wollen angesichts der Kriegsbilder aus der Ukraine, die in der ‹Tagesschau› über den Bildschirm flimmerten: ‹Ich wollte etwas tun.› Jetzt hoffen Uffer und Huber, weitere Personen und Organisationen für das Projekt zu gewinnen, damit es Fahrt gewinnt.


Links www.huberfenster.ch | www.uffer.swiss | www.verein-ukraine-hilfe.ch