Lignum Holzwirtschaft Schweiz

ETH-Roboter bauen spektakuläre Gartenskulptur aus Holz für Zug

Mit künstlicher Intelligenz entwerfen und fertigen Forscher der ETH Zürich derzeit eine mehr als zwanzig Meter hohe architektonische Skulptur. Sie besteht aus fünf riesigen Schalen, die von vier kooperierenden Robotern aus Holzplatten zusammengefügt werden. Das grüne Kunstwerk wird ab dem nächsten Sommer auf dem Areal des Tech-Clusters Zug zu bewundern sein.

Oben: Visualisierung der fertigen, 22,5 m hohen Skulptur. Unten: Vier Roboterarme nehmen im Gleichtakt Holzplatten auf und plazieren sie gemäss Computerentwurf im Raum.
Bilder Gramazio Kohler Research, ETH Zürich (oben) | Pascal Bach/Gramazio Kohler Research, ETH Zürich

 

Für den Tech Cluster Zug entwerfen und erstellen Forschende aus der Gruppe der ETH-​Architekturprofessoren Fabio Gramazio und Matthias Kohler zusammen mit Müller Illien Landschaftsarchitekten, Timbatec, Erne AG Holzbau und weiteren Partnern aus Industrie und Forschung eine bepflanzte architektonische Skulptur mit dem Namen ‹Semiramis›. Die hängenden Gärten von Babylon, die sich im Laufe der Zeit mit dem Namen der orientalischen Königin verbunden haben, zählten im Altertum zu den sieben Weltwundern.

Ein hoher Anspruch also, den die Forscher hier anmelden. Von betörender Pflanzenpracht ist ihr Werk zwar noch weit entfernt, aber wie die Struktur entsteht, die das grüne Wunder in Zug dereinst fassen soll, ist tatsächlich spektakulär. Die 22,5 m hohe Skulptur besteht aus fünf geometrisch komplexen Holzschalen, die – leicht zueinander versetzt – von acht schlanken Stahlstützen getragen werden. Designt und gefertigt wird die Struktur mit neuartigen digitalen Methoden.


KI schlägt Designmöglichkeiten vor

Im klassischen Entwurfsprozess versuchen Architektinnen und Architekten die unterschiedlichen Anforderungen an ein Gebäude oder eine Struktur im Entwurf zu berücksichtigen und passen diesen dann solange an, bis alle möglichst gut erfüllt sind. Nicht so bei ‹Semiramis›: Ein massgeschneiderter Machine-​Learning-Algorithmus, entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Swiss Data Science Center, lenkte die Forschenden zu ausgeklügelten Gestaltungsmöglichkeiten.

Die Vorschläge unterschieden sich hinsichtlich der Formen der Schalen und deren räumlichen Anordnung zueinander, zeigten aber auch auf, wie sich das jeweilige Design auf einzelne Zielgrössen wie beispielsweise die Beregnung der Schalen auswirkt. ‹Das Computermodell ermöglicht es uns, den konventionellen Gestaltungsprozess umzukehren und den gesamten Gestaltungsspielraum für ein Projekt zu explorieren. Dadurch entstehen neue, oft überraschende Geometrien›, sagt Matthias Kohler, Professor für Architektur und digitale Fabrikation an der ETH Zürich.


Menschen tüfteln gemeinsam am digitalen Modell ... 

Im ‹Immersive Design Lab›, einem Labor für erweiterte Realität auf dem Campus Hönggerberg, konnten die Forscher die Entwürfe dreidimensional erkunden und in Echtzeit gemeinsam daran weiterarbeiten. Eine mit dem Computational Robotics Lab der ETH entwickelte Software ermöglicht es ihnen zudem, die Entwürfe der Holzschalen einfach anzupassen.

Verschieben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beispielsweise einen einzelnen Punkt innerhalb der Geometrie einer der Schale, die sich aus rund 70 Holzplatten zusammensetzen, passt die Software die gesamte Geometrie an. Gleichzeitig berücksichtigt sie die relevanten Fertigungsparameter wie beispielsweise das maximal mögliche Gewicht einer Platte und generiert so stets die effizienteste und belastbarste Konfiguration.


... und Roboter übernehmen Schwerarbeit in der Fertigung

Der beste Entwurf wird derzeit im robotischen Fertigungslabor der ETH Zürich realisiert. Stets im Gleichtakt nehmen vier hängende Roboterarme die ihnen zugewiesene Holzplatte auf, führen einen hochpräzisen Tanz aus und plazieren die Platten schliesslich gemäss Computerentwurf im Raum.

Ein Algorithmus berechnet die Bewegungen der Roboter so, dass sie sich nicht gegenseitig ins Gehege kommen. Haben die Maschinen ihre vier Platten nebeneinander am richtigen Ort im Raum, werden diese von Handwerkerinnen und Handwerkern zuerst temporär verbunden und danach mit einem speziellen Giessharz verleimt. So werden zwischen 51 und 88 solcher Holzplatten zu einer Holzschale zusammengefügt.


Leuchtturmprojekt für Architekturdesign und digitale Fabrikation

Die robotische Vorfabrikation läuft derzeit auf Hochtouren. Die einzelnen Schalensegmente werden laufend auf Lastwagen nach Zug überführt und die architektonische Skulptur dann im Frühjahr 2022 aufgerichtet und schliesslich bepflanzt. Ab Sommer 2022 wird es möglich sein, die Holzstruktur vom Boden und den Gebäuden aus zu betrachten und einen Blick in die begrünten Schalen zu erhaschen.

Für Matthias Kohler hat das Projekt aber bereits jetzt seinen Wert bewiesen: ‹'Semiramis' hat als Leuchtturmprojekt der Architekturforschung Menschen innerhalb und ausserhalb der ETH zusammengeführt und heute massgebende Forschungsthemen wie interaktives Architekturdesign und digitale Fabrikation vorangetrieben›, sagt Kohler.


Link https://gramaziokohler.arch.ethz.ch | Video