Lignum Holzwirtschaft Schweiz

‹Einfacher bauen und Lowtech-Konzepte planen›

Bauen wird mit einem Mehr an Technik nicht zwingend nachhaltiger. Vereinfachung und Lowtech waren oft gehörte Empfehlungen an der 6. Internationalen Tagung ‹Bauphysik & Gebäudetechnik› am 28. und 29. April in Rosenheim.

Das Tagungsprogramm in Rosenheim mit 40 Vorträgen deckte ein breites Themenspektrum im Bereich Akustik, Brandschutz, Gebäudeenergie, Automation und Wohngesundheit ab, vielfach im Zusammenhang mit Holzbau und abgerundet durch die Vorstellung von Bauprojekten. Unter anderem kam auch die Lignum-Datenbank lignumdata zur Sprache. Der Anlass zog 480 Teilnehmer aus der ganzen DACH-Region an.
Bild Forum Holzbau

 

Die Dringlichkeit nachhaltigen Wirtschaftens, aktuell noch einmal schärfer spürbar durch die aufgehende Schere zwischen Nachfrage und Angebot bei baurelevanten Rohstoffen, sorgt dafür, dass Energiesparen zunehmend unter breiterer Perspektive betrachet wird. Lange lag der Fokus allein auf der Einsparung von Energie beim Gebäudebetrieb. Die graue Energie, die in der dafür benötigten Technik steckt, aber auch die Energie zur Herstellung neuer Gebäude und diejenige zu ihrem Rückbau am Ende der Nutzungsdauer blieben unberücksichtigt.

Gleich mehrere Referenten rieten an der Tagung zu einfacherem Bauen: zur Planung alterungsfähiger Oberflächen, zur Trennung von Baukörper und Haustechnik, zur Verwendung robuster, verständlicher Technik, die auch repariert werden könne. Die Branche habe sich in der Vergangenheit zu viele Fehlinvestitionen in nicht richtig funktionierende Gebäudetechnik geleistet. Auch deshalb seien Bauen und Gebäudebetrieb so teuer geworden.


Spielraum ausnutzen und flexibel bleiben

Zu starr ist aber auch die Planung von Gebäuden. Um graue Energie zu sparen, ist Flexibilität der Grundrisse gefragt, und zwar bereits ab Beginn der Planung. Spätere Nutzungsänderungen im Gebäudeleben und entsprechende Umbauten sollten ohne grossen Aufwand möglich sein. Dafür brauche es unbedingt ein Mehr an industriellem Bauen, hiess es in Rosenheim. Auch der Rückbau sei bestmöglich zu berücksichtigen. Ein nachhaltig gebautes Gebäude behalte seinen Wert oder erfahre sogar Wertzuwachs.

Unter Einhaltung sicherheitsrelevanter Richtlinien sollten daher Spielräume in den Regelwerken gesucht und einvernehmlich mit den Bauherren kostensparende Regelabweichungen ausgearbeitet werden. Lassen sich durch Aufputz-Installationen die Kosten senken? Muss Schallschutz hundertprozentig sein? Sind gewisse Schwingungen tolerierbar, Abweichungen bei den erzielbaren Temperaturen möglich? Bezüglich Dämmstärken sollte eine gründliche Abwägung der eingesetzten Materialmengen und -arten erfolgen. Mindeststandards sollten allerdings eingehalten werden. Und es wurde auch davor gewarnt, dass eine Abweichung von Standardbauweisen letztlich auch teurer werden könne.


Wer hat am Ende noch den Überblick?

In jedem Fall stärker berücksichtigt werden muss auch das Nutzerverhalten – nicht nur solches im erwünschten Sinn, sondern auch Fehlverhalten. Die Nutzer von Gebäuden seien zwar schwer zu beeinflussen, die ‹Bedienung› eines Gebäudes könne man ihnen aber sicher erleichtern. Hier wurde die Prüfung einfacher Lüftungskonzepte empfohlen, z.B. wieder mit Handbedienung. Das Smart-Home-Konzept bringe im Neubau zwar schnell 10–20% Einsparung an CO2, unterstütze aber nicht die Energiewende, die vor allem im Gebäudebestand stattfinden müsse. Für Veränderungen sollte die Baubranche nicht auf die Politik warten, sondern die Sache selbst in die Hand nehmen, riet eine Referentin.

Weil es bei Gebäudetechnik vor allem um Heizung, Energiespeicherung und Kühlung geht und weil Gebäude komplexe dynamische Systeme sind, wimmelt es von Experten in den verschiedenen Gewerken. An der Tagung wurde das Fehlen von Generalisten unter den beteiligten Bau-Teilbranchen beklagt, die einen Überblick über das Zusammenspiel und die Kompetenz für ein zielführendes Miteinander hätten. Der menschliche Experte werde im Gebäudetechnikbereich noch lange erforderlich sein, ehe künstliche Intelligenz sich durchsetze. Ebenso wichtig ist der Austausch unter den Spezialisten – das übernahm die Tagung in Rosenheim wieder in hervorragender Weise.


Link www.forum-holzbau.com