Lignum Holzwirtschaft Schweiz

‹Die frühe Materialwahl ist beim Bauen mit Holz zentral›

Öffentliche Bauherrschaften setzen immer häufiger auf den nachhaltigen Rohstoff Schweizer Holz. Wie organisiert man die Beschaffung von hiesigem Holz am besten? Im folgenden eine Auslegeordnung am Beispiel eines Kindergarten-Projekts im aargauischen Küttigen. Wer mehr wissen will, verfolgt morgen Dienstag die Tagung ‹Nachhaltige öffentliche Beschaffung› in Solothurn.

Oben: So soll der neue Kindergarten in Küttigen dereinst aussehen. Unten: Blick ins Innere des geplanten Kindergartens.
Visualisierungen Herzog Ritter Architekten, Basel
 

Küttigen im Kanton Aargau: Mit rund 6600 Einwohnern eine mittelgrosse Gemeinde, in welcher der Neubau eines Kindergartens ansteht. Küttigen besitzt eine langfristige, nachhaltige Liegenschaftsstrategie, die sich am bestehenden Energieleitbild ausrichtet. Deshalb ist Holz als Baumaterial für den neuen Kindergarten rasch ins Gespräch gekommen. Nachdem Vertreter des Kantons bestätigt hatten, dass ein Bau aus Holz aus technischer Sicht grundsätzlich machbar ist, hat die Gemeinde vertiefte Abklärungen beschlossen.

Eine wichtige Frage für das Küttiger Projekt war, ob der Forstbetrieb der Gemeinde überhaupt die benötigte Menge Holz liefern kann. Dies konnte rasch bejaht werden; der innovative Forstbetrieb Jura, dem drei Gemeinden angeschlossen sind, hat gerne unterstützt und kann die voraussichtlich benötigten 2200 m3 Holz aus dem eigenen Revier liefern.


Materialwahl möglichst früh festhalten

Aus einem vorhergehenden Bauprojekt hat die Gemeinde die Lehre gezogen, dass die Materialwahl für ein neues Gebäude möglichst früh getroffen werden muss. Entsprechend wurde bereits im Programm zum Gesamtleistungswettbewerb folgende Formulierung festgehalten: ‹Ein Holzbau liegt auf der Hand: Holz ist ein Material, das Kindern vertraut ist. Die Gemeinde Küttigen ist auch Waldbesitzerin und dem Forstbetrieb Jura (Densbüren, Erlinsbach, Küttigen, Staatswald Aargau) angeschlossen. Mit der Verwendung von regionalem Holz möchte die Gemeinde Küttigen für Wertschöpfung vor Ort sorgen und einen nachhaltigen Bau erhalten.

Ein gutes Raumklima und die Flexibilität des Materials für freie Formen sind weitere Pluspunkte – gerade wenn es um Bauten für Kinder und Jugendliche geht. Der erneuerbare Baustoff Holz sorgt für eine hohe Bauqualität, ersetzt aber auch Materialien mit stärkeren Umweltauswirkungen. Die Gemeinde Küttigen erwartet, dass Holz aus dem eigenen Forst (Forstbetrieb Jura) für den Bau des Kindergartens und der Tagesstruktur verwendet wird. Das Holz wird aus eigenem Wald beigesteuert und vom Anbieter verlangt, dass er dieses gemeindeeigene Holz als Baumaterial einsetzt.›


Plan B von Anfang an mitgedacht

Ausserdem wurde für den Fall, dass das bereitgestellte Holz quantitativ, qualitativ oder zeitlich nicht passend dem jeweiligen Unternehmer bereitgestellt werden kann, eine Ersatzmassnahme vorgesehen. So sollte im Fall der Fälle auf anderes Schweizer Holz zurückgegriffen werden können, mit späterer Abnahme des eigenen Rundholzes ohne zusätzlichen Geldfluss.

Dabei handelt es sich um das sogenannte Holz-Kreditsystem. Die Lignum erläutert dieses System in der Broschüre ‹Lignum Compact – Ausschreiben mit Schweizer Holz›. Damit ist sichergestellt, dass die benötigte Menge Schweizer Holz jederzeit zur Verfügung steht. Die Materialwahl am Anfang der Projektierung ist also ein Schlüssel, um mit Schweizer Holz oder eigenem Holz bauen zu können.


Revidiertes Beschaffungsrecht: Was heisst das für Holzbauten?

2021 ist das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) in Kraft getreten. Der Qualitätswettbewerb wird unter dem neuen Regime mit Kriterien wie Nachhaltigkeit, Lebenszykluskosten, Innovation, Plausibilität des Angebotes oder Verlässlichkeit des Preises deutlich gestärkt. Neu geht der Zuschlag an das ‹vorteilhafteste› statt an das ‹wirtschaftlich günstigste› Angebot. Die Abkehr vom reinen Preiswettbewerb in der öffentlichen Beschaffung steht im Einklang mit dem internationalen Trend hin zu einem Qualitätswettbewerb, der den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt.

Bei einem Holzbau ist für öffentliche Auftraggeber insbesondere relevant, dass sie gemäss dem Beschaffungsabkommen GPA/WTO gerade bei den Schwellenwerten den Grundsatz der Nichtdiskriminierung beachten. Beim Baustoff können sie aber ausnahmslos immer frei wählen. So haben sie die Möglichkeit, in einem Grundsatzentscheid eine Holzbauweise vorauszusetzen. Wenn der Austausch von Leistung und Gegenleistung innerhalb des gleichen Rechtsträgers stattfindet, handelt es sich um ein Inhouse-Geschäft. Eine vergaberechtsfreie Vergabeform nach Art. 10 Abs. BöB/IVöB, die nicht zur Ausschreibung kommt, sondern als Voraussetzung vom Auftraggeber in der Ausschreibung definiert wird.

Eine Gemeinde, die beispielsweise ein Gebäude mit Holz aus dem eigenen Forst baut, erfüllt diese Bedingung. Gleiches gilt für den Bezug über einen von der öffentlichen Hand kontrollierten Leistungserbringer, der kein Marktteilnehmer ist und dem die Gemeinde angehört – zum Beispiel einen Forst- oder Verarbeitungsbetrieb oder einen Zweckverband.


Holz aus der Region weckt Emotionen

Nebst all den rechtlichen Rahmenbedingungen sprechen auch weiche Kriterien für den Grundsatzentscheid, mit Schweizer Holz zu bauen. Im Falle des neuen Kindergartens in Küttigen war die Stärkung der regionalen Wertschöpfungskette mitentscheidend. Sie kann dank kurzen Wegen beim Materialtransport und der Berücksichtigung lokaler und regionaler Handwerker mit Holz überdurchschnittlich gefördert werden.

Ob die Einwohner von Küttigen dem Kindergarten aus Holz ebenfalls positiv gegenüberstehen, wird sich diesen Sommer zeigen. Denn die Gemeindeversammlung im Juni wird entscheiden, ob gebaut wird. Bei der Gemeinde ist die Stimmung vorsichtig optimistisch, denn bisher wurden in der Bevölkerung noch keine ablehnenden Stimmen zum Projekt gehört.


Morgen Dienstag, 2. Mai 2023 findet in Solothurn die ‹Tagung nachhaltige öffentliche Beschaffung 2023› statt. Sie behandelt unter anderem das Thema ‹Nachhaltig bauen mit eigenem Holz› im Rahmen des revidierten Beschaffungsrechts. Lignum und Cedotec vertreten an einem Forum unter der Moderation von Bundesverwaltungsrichter Marc Steiner zusammen mit WaldSchweiz und dem Aktionsplan Holz des Bundesamtes für Umwelt den Baustoff Holz. Die Tagung ist ausgebucht. Das Vormittagsprogramm lässt sich jedoch online verfolgen.
 

 

*Florian Landolt ist Leiter des Bereichs Kommunikation und Politik bei WaldSchweiz in Solothurn.

Dieser Beitrag ist zuerst in der Zeitschrift ‹Schweizer Gemeinde› 4/2023 erschienen. Die Wiedergabe im Lignum Journal erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors.