Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Das Bauwerk Schweiz nachhaltig weiterentwickeln – mit Holz

Nachhaltigkeit ist Bedingung für das Bauen der Zukunft. Der Holzbautag vom 5. Mai unter dem Titel ‹Weiterbauen mit Holz – urban, hoch, dicht› präsentierte unter diesem Horizont spannende Ansätze im Umgang mit Materialien, Energie und Raum. Die von der Berner Fachhochschule BFH gemeinsam mit Lignum und Cedotec organisierte Tagung lockte rund 440 Fachleute aus den Bereichen Architektur und Holzbau nach Biel.

Der jüngste UNO-Umweltbericht hat deutlich gemacht: Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss das globale Wirtschaftssystem grundlegend umgekrempelt werden. Ob wir die UNO-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 erreichen, ist ebenfalls offen. Die Baubranche und insbesondere der klimaneutrale Baustoff Holz können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Das hat der Holzbautag Biel 2022 eindrücklich gezeigt.
Bilder Sacha Danesi

 

Zu Beginn illustrierten die BFH-Dozierenden Tim Kammasch, Katrin Büsser und Céline Guibat verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit: Gesellschaft und Nachbarschaft, Wirtschaft und Prozesse, Umwelt und Suffizienz. Funktionierende Ökosysteme und Frieden seien unsere wichtigste Existenzgrundlage. Ein möglichst effizienter Einsatz von Ressourcen lohne sich auch in ökonomischer Hinsicht. Schätzungen gehen davon aus, dass 36% der Treibhausgasemissionen in Europa auf die Phase der Nutzung eines Gebäudes (insbesondere auf das Heizen) zurückzuführen sind. Hinzu kommen die Emissionen, die entstehen, wenn Baumaterialien hergestellt und entsorgt werden. Der Trend zur Entwicklung passiver Systeme dürfte die Herstellungs- und Entsorgungsphase von Materialien in Bezug auf Emissionen noch deutlich wichtiger machen.

Holz ist als zuverlässiger Baustoff unbestritten. Wird er verwendet, bleibt der Kohlenstoff während der Lebensdauer der Gebäude gebunden. Zudem wird bei Ernte und Verarbeitung viel weniger CO2 freigesetzt als bei der Herstellung anderer Materialien. Darüber hinaus erfordert die Verarbeitung von Baustoffen wie Beton, Ziegelsteinen, Glas oder Stahl einen höheren Energieeinsatz. Auch das An- und Weiterbauen führt zu einem sparsamen Umgang mit Ressourcen und ermöglicht Stoffkreisläufe. Dass auch dabei dem Holzbau eine wesentliche Rolle zukommt, hat sowohl bautechnische und ökologische als auch ökonomische Gründe. Am Fachanlass in Biel wurden mehrere konkrete Beispiele und Projekte sowie Ergebnisse aus der Forschung präsentiert.


Holzbau im urbanen Kontext

Die vor vier Jahren erstellte Wohnüberbauung Maiengasse in Basel verfügt über 55 Wohnungen und ist eigentlich ein Dorf inmitten der Stadt. Hier zeigen sich die die ökologischen und ökonomischen Vorteile der Holzbauweise. Marco Rickenbacher (Esch Sintzel Architekten, Zürich) und Fabian Frei (Husner AG Holzbau, Frick) illustrierten, wie sich im sparsamen Umgang mit Materialien (z.B. Balkenlagen anstelle einer materialintensiven Brettsperrholzkonstruktion) preislich und technisch überzeugende Lösungen finden liessen.

An einem Stadthaus in Vevey zeigt sich exemplarisch, dass geschickte Aufstockungen interessante Alternativen zum Abriss von Wohnzeilen sein können. Die Aufstockung wurde von Rapin Saiz Architectes (Vevey) und Ratio Bois Sàrl (Ecublens) realisiert und mit dem Prix Lignum 2021 ausgezeichnet (Bronze). Sie mache das Haus besser, als es vorher gewesen sei, lautete die Begründung der Jury.

Am Beispiel der Überbauung der Industriebrache Lokstadt Winterthur präsentierte Peter Baumberger (Arge Baumberger & Stegmeier AG, Zürich, und KilgaPopp Architekten AG, Winterthur) planerische Überlegungen und die durch den Ort gegebenen gestalterischen Rahmenbedingungen. Der Holzbau verbindet sich hier mit Sichtbackstein. Die technisch ausgeklügelten Lösungen für diese Symbiose lieferten die Ingenieure von Timbatec. Andreas Burgherr von Timbatec Holzbauingenieure AG (Zürich) erläuterte die Mischbauweise, die je nach Funktion Massiv- oder Holzbau vorsieht. Die erhaltenswerten Sichtmauerwerkfassaden blieben so erhalten und schützen die im Innern errichteten Holzstrukturen. Diese sind weitgehend sichtbar verbaut und prägen die einfach und nützlich gestalteten Wohnräume.


Spannende Projekte aus der Schweiz ...

An drei Projekten wurden die vielfältigen Möglichkeiten von Holzhochhäusern illustriert. Dem Projekt von BFH-Studierenden aus dem Frühlingssemester 2021 für ein Holzhochhaus in Interlaken (vorgestellt von Holzbau Schweiz an der ‹Swissbau Compact›, siehe gesonderten Beitrag von heute Montag) liegt ein modular geschichtetes Konzept zugrunde. Es entspricht dem modular konzipierten Holzspiel ‹Jenga›. Der Entwurf stammt von Mahdi Bagheri (Student Master Architektur), die Tragwerksstruktur erarbeitete Lukas Furrer (Student Master Wood Technology). Das Gebäude soll auf 19 Stockwerken eine Lobby, eine Café-Lounge, einen Coworking-Raum, Hotelzimmer, ein Restaurant und eine Bar beherbergen. Hinzu kommen Wohnungen auf acht Stockwerken. Die Erschliessung für das Haus liegt im Zentrum seines quadratischen Gesamtgrundrisses. Die flexible Nutzung basiert auf einem streng gerasterten Stützensystem.

In Zug wird in einem ehemaligen Industrieareal ein neues Wohnquartier mit hohem Ausnutzungsgrad geplant. Erstellung und Betrieb der Gebäude sollen im Vergleich zu konventionellen Bauten nur halb so viele CO2-Emissionen verursachen. Beat Weiss (Tech Cluster Zug AG) und Christian Penzel (Penzel Valier, Zürich) referierten zu diesem anspruchsvollen Projekt. Ein Turmbau mit sechs Geschossen für Büros soll auf einem Sockelgebäude mit vier Geschossen und industrieller Nutzung aufgesetzt werden. Fassadenstützen und -träger sind in BauBuche geplant, ebenso die Geschossdecken. Für die Konstruktion des Tragwerks und der Fassade sind Vierendeel-Systeme vorgesehen. Das Furnierschichtholz BauBuche kommt in den hochbelasteten Bereichen zur Anwendung, dazu Schichtplatten aus
Nadelholz in den dafür geeigneten Bereichen.


... und aus dem europäischen Ausland

In Hamburg planen derweil Jan Störmer (Störmer Murphy and Partners, Hamburg) und Henning Klattenhoff (Assmann Beraten + Planen, Hamburg) das 65 m hohe Holzhochhaus ‹Roots›. Vorgesehen sind 16 Wohngeschosse und ein Sockelgeschoss. Der Bau benötigt 5500 m3 Holz, was der Menge entspricht, die im deutschen Wald in 23 Minuten nachwächst. Im Gegensatz dazu sind gemäss Jan Störmer Sand und Kies zusehends beschränkt erhältlich. Zudem ist ein nahezu restloser späterer Rückbau des Holzhochhauses vorgesehen. Die hochbelasteten Teile sind in BauBuche geplant, andere in Furnierschicht- und Brettschichtholz. Henning Klattenhoff ist vom Baustoff Holz begeistert: ‹Der Holzbau spielt mit seiner Tragfähigkeit in der gleichen Liga wie Stahlbeton und Stahl. Das geringe Gewicht bringt deutliche Vorteile für den Lastabtrag sowie für die Vorfertigung und die Elementierung.›

Auch in Frankreich wird der Baustoff Holz immer häufiger im urbanen Raum verwendet. Robert Weitz (Tectoniques Architectes/Ingénieurs, Lyon/Bordeaux) präsentierte dazu zwei geplante Schulbauten. Einer davon befindet sich in Paris le Bourget und ist mit rund 30 Klassenräumen als Passivhaus konzipiert. Eine Schule mit Kindergarten wird zudem in Ville des Pennes (Bouches du Rhône) realisiert. Sie ist in Bezug auf das Bio-Klima herausfordernd: In der mediterranen Region sind Holz- und Lehmbau nicht üblich. Sie verfügt über das Label ‹Nachhaltige Gebäude im Mittelmeerraum› (Bâtiments Durables Méditerranéens).


Erdbeben-Weiterbildung an der BFH

An der Berner Fachhochschule wird zu den dynamischen Eigenschaften unterschiedlicher Holzbauweisen geforscht. Dies ist etwa für den Schutz vor Erdbeben grundlegend. Dazu präsentierte Martin Geiser, Leiter des Instituts für Holzbau, Tragwerke und Architektur, Optimierungen von Holzverbindungen bezüglich Duktilität. Zudem thematisierte er die Unterschiede zwischen Blockwänden, mit Gipsfaserplatten beplankten Holzrahmenwänden, Holzrahmenwänden mit Öffnungen, duktilen Glasscheiben sowie neue Möglichkeiten mit dem hochduktilen Verankerungssystem ‹Duktiplex›, welches von der BFH und der Ancotech AG entwickelt worden ist. Das Departement Architektur, Holz und Bau vermittelt diese Erkenntnisse in Weiterbildungskursen für Holz- und Bauingenieure.


Link www.bfh.ch/ahb/holzbautag