Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Bäume geben ‹Umwelterinnerungen› an Nachwuchs weiter

Bäume können sich im Lauf ihres Lebens nicht nur an neue Bedingungen anpassen, sondern die ‹Erinnerung› an eine veränderte Umwelt auch an die nächste Generation weitergeben. Das haben Wissenschaftler der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL erstmals nachweisen können. Diese erstaunliche Fähigkeit hilft den Bäumen vielleicht auch bei der Bewältigung des Klimawandels.

Oben: Drei Monate alte Föhrensetzlinge im Pfynwald im Wallis. Jene mit gelben Streifen stammen von Mutterbäumen, die 2003–2016 bewässert wurden, jene mit orangen Streifen von Bäumen, die nie bewässert wurden. Die ‹Gelben› wuchsen unter feuchten Bedingungen besser, die ‹Orangen› unter trockenen. Unten: Fünf Monate alte Föhrensetzlinge im Gewächshaus der WSL. Der Unterschied zwischen Bewässerung (links) und Trockenheit (rechts) ist deutlich zu sehen. Die orange markierten Pflänzchen hatten Eltern, die an Trockenheit gewöhnt waren.
Bilder Ulrich Wasem, WSL

 

 

Die aktuelle globale Erwärmung läuft zu schnell ab, als dass sich langlebige Organismen wie Bäume im Rahmen der Evolution genetisch an neue Lebensbedingungen anpassen könnten. Dies ist ein Prozess, der viele Generationen benötigt. Doch zum Glück können Bäume – wie alle Pflanzen – sehr flexibel auf ihre Umwelt reagieren, etwa indem sie bei Trockenheit mehr Wurzeln und bei guten Bedingungen viele Blätter für starkes Wachstum bilden. Diese spezifischen Umweltanpassungen werden aber nicht an die Nachkommen vererbt; das weitergegebene Erbgut beinhaltet lediglich die Fähigkeit zur Selbstanpassung. 

 

Damit sind die Errungenschaften des Baumes für die nächste Generation verloren – dachte man lange. Erst in den letzten Jahren wurden bei Tieren und auch Menschen Mechanismen entdeckt, mit denen Reaktionen auf Umwelteinflüsse an den Nachwuchs weitergegeben werden. Es handelt sich um kleine Moleküle, sogenannte Methylgruppen, die an die DNA-Bausteine angehängt werden und beeinflussen, welche Gene mehr oder weniger stark zum Einsatz kommen. Dieses Muster von Molekülgruppen überträgt sich über Eizellen, Spermien oder Pollen an die Nachkommen.

 

Experiment mit Walliser Föhren als Grundlage

 

Erstmals haben nun Schweizer Forscherinnen und Forscher diese Fähigkeit auch bei Waldbäumen zeigen können – nicht direkt auf molekularer Ebene, sondern anhand der beobachteten Effekte. Dazu hat sich das Forschungsteam ein langjähriges Bewässerungsexperiment der WSL zunutze gemacht: Im Pfynwald im Wallis, wo Föhren unter extrem trockenen Bedingungen wachsen, bewässern die WSL-Wissenschaftler seit 2003 bestimmte Waldparzellen. Bei einem Teil davon wurde die Bewässerung nach zehn Jahren wieder gestoppt. Dieses langfristige Experiment bietet perfekte Bedingungen, um Anpassungen an trockene und feuchte Bedingungen zu untersuchen.

 

Das Team um den PostDoc Arun Bose sammelte die Zapfen von Mutterbäumen ein, entnahm diesen die Samen und liess sie keimen. Ein Teil der Jungpflänzchen wuchs danach im Gewächshaus unter unterschiedlichen Wasser-, Licht- und Temperaturbedingungen auf, ein anderer im Pfynwald in unbewässerten Parzellen. Das Resultat im Gewächshaus war deutlich: Nachkommen von an Trockenheit gewöhnten Elternbäumen gediehen mit wenig Wasser klar besser, da sie mehr Wurzelmasse bildeten. Bei genügender Wasserversorgung lag jedoch der Nachwuchs der Eltern von bewässerten Flächen vorn, da sie mehr Nadeln produziert hatten. Die Pflänzchen, deren Eltern einen Bewässerungsstopp erlebt hatten, lagen genau dazwischen.

 

Informationstransport ohne Gene nachgewiesen

 

‹Das ist der erste Nachweis, dass Elternbäume Umweltinformationen an ihre Nachkommen weitergeben, die dadurch besser mit den Lebensbedingungen klarkommen›, sagt der Ökologe Arthur Gessler, der die Studie und die WSL-Gruppe Ökosystem-Ökologie leitet. ‹Die Nachkommen sind von Anfang an auf die zu erwartende Situation vorbereitet.› Andere Vorteile bestimmter Bäume, etwa durch grössere Energiereserven in den Samen, hatten die Forschenden ausgeschlossen: Alle Samen waren gleich schwer.

 

Den Prozess der DNA-Methylierung erklärt Gessler als ‹eine Art Training für das Genom›. Das genetische Potential ist bei allen Individuen gleich, aber dank der Methylierung ‹weiss› das Erbgut, welche Gene das Überleben steigern und von Anfang des Wachstums an voll zum Einsatz kommen sollten. Ob es sich bei Bäumen tatsächlich um diesen molekularen Mechanismus handelt, erkunden Forschende derzeit an anderen Institutionen.

 


Link www.wsl.ch