Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Aufstocken mit Holz: Wachstum mit Köpfchen

Der Schweizer Gebäudepark soll sich nach innen verdichten. Zugleich gilt es den Bestand energetisch zu verbessern. Mit Holz lassen sich beide Ziele geschickt kombinieren.

 

 

Dreigeschossiger Holz-Aufbau in Bern

Dienstleistungs- und Wohngebäude ‹WylerPark›, Bern, 2008 (Bauherrschaft: SBB AG, Schweizerische Bundesbahnen, Immobilien, Bern, seit Juni 2007 Livermore Investments Group Ltd., British Virgin Island/Zürich; Totalunternehmer: baumag generalbau ag, Liebefeld; Architektur: Rolf Mühlethaler, Architekt BSA SIA, Bern; Holzbauingenieur: hrb Ingenieurbüro für Holzbau GmbH, Thun; Holzbau: Boss Holzbau AG, Thun, Mosimann Holzbau AG, Köniz, und Hector Egger Holzbau AG, Langenthal

Bild Hector Egger Holzbau AG, Langenthal

 

 

Die Schweiz soll ihr bauliches Wachstum, das mit prosperierender Wirtschaft und steigender Bevölkerungszahl einhergeht, nicht mehr in die Fläche fliessen lassen. So gibt es das revidierte Raumplanungsgesetz nach dem Willen des Souveräns vor. Dörfer und Städte sollen sich primär nach innen weiterentwickeln – durch verdichtetes Bauen, das Schliessen von Baulücken oder die Umnutzung von Brachen.

 

Wie lässt sich das im bereits dichten Geflecht der städtischen Räume am besten umsetzen? Das Hochhaus ist mit ikonischen Türmen wieder der Versenkung entstiegen; solche haben in jüngerer Zeit zum Beispiel in Basel, Zürich oder Zug für markante Veränderungen der Stadtsilhouetten gesorgt. Doch Wohnen im Hochhaus erinnert viele noch immer an die ‹Wohnmaschinen› der sechziger und siebziger Jahre, die heute mehr Schreck- als Sehnsuchtsbild sind. Der Durchschnitt mag es lieber niedriger. Die Credit Suisse hat 2013 nachgezählt: 90% aller Wohnungen in der Schweiz entfallen auf die Geschosse 0 bis 3. Die Wohnungen ab dem 4. Stock machen nur 10% aus. Sogar in der Stadt Zürich liegen nur 14% aller Wohnungen im 4. Stock oder darüber.

 

Weil Hochhäuser zudem systembedingt kostenintensiv und baurechtlich anspruchsvoll sind, wird sich die Verdichtung unserer Städte vermutlich auf Gebäude mittlerer Höhe konzentrieren, um sich Akzeptanz zu sichern: zum Beispiel in Form von Mehrfamilienhäusern als Ersatz für kleinräumigere und flächenintensivere Siedlungsstrukturen oder in Form moderater Höhengewinne im Bestand durch Aufstockung. ‹Sanftes› höheres Bauen – ein bis zwei Stockwerke mehr – wird nämlich im urbanen Kontext  durchaus akzeptiert, wie eine Studie des Swiss Real Institute ebenfalls 2013 nachweisen konnte. Das gilt für Ersatzneubauten ebenso wie für Aufstockungen. Beide Vorgehensweisen beanspruchen keine neuen Flächen.

 

Aufstocken: Ein Fall für Holz

 

Holzbau ist schnell, ökologisch und energieeffizient. Bis zu einer Gesamthöhe von 30 Metern können gemäss den seit 2015 geltenden Schweizer Brandschutzvorschriften Wohn-, Büro- und Schulhäuser, Industrie- und Gewerbebauten, Beherbergungsbetriebe oder etwa Verkaufsgeschäfte im Holzbau realisiert werden. Bereits ab 2005 wurden Holzbauten bis sechs Geschosse möglich. Auf der Basis dieser Vorteile und Neuerungen kommt Holz im städtischen Ersatzneubau seit etwa zehn Jahren vermehrt zum Zug, wobei Genossenschaften eine wichtige Vorreiterrolle spielen.

 

Als geradezu prädestiniert darf der Holzbau für Aufstockungen gelten. Matchentscheidend ist dafür vor allem der Gewichtsaspekt. Aufstockungen müssen vom darunterliegenden Bestand statisch verkraftet werden. In dieser Hinsicht empfiehlt sich Holz: denn sein Eigengewicht liegt bei einem Bruchteil dessen, was für massive Materialien zu veranschlagen ist. So können je nachdem auch Aufstockungen über mehrere Geschosse erfolgen, ohne dass die alte Bausubstanz verstärkt werden muss.

 

Ein beeindruckendes Beispiel dafür ist die Aufstockung eines Baus der Sihltal-Zürich-Uetliberg-Bahn (SZU) in Zürich-Giesshübel von 2013. Das zweigeschossige Betriebs- und Lagergebäude der SZU blieb als Betonsockel erhalten und dient nun Bürozwecken. Ein energetisch ungenügender Aufbau aus den achtziger Jahren wurde abgebrochen; an seiner Stelle erhebt sich nun ein viergeschossiger Holzbau, der 24 Wohnungen umfasst. Die Aufstockung ist doppelt so gross wie der Bestand und erweitert die Ertragsflächen um 300%.

 

Schnell erstellt und sofort nutzbar

 

Innert zehn Wochen wurden die für die Aufstockung benötigten 690 Holzelemente in der Produktionshalle von Hector Egger Holzbau AG in Langenthal vorgefertigt. Die absolut passgenau zugeschnittenen Elemente kamen nach einem ausgeklügelten Plan mit dem Tieflader auf die Baustelle und wurden von einer Equipe von nur fünf Zimmerleuten zusammengefügt. Für ein Stockwerk benötigten sie etwas mehr als eine Woche.

 

 

 

Vier Geschosse mit Holz obendrauf in Zürich

Aufstockung SZU-Gebäude in Zürich (Bauherrschaft: Sihltal Zürich Uetliberg Bahn SZU AG, Zürich; Architektur: Burkhalter Sumi Architekten, Zürich; Holzbauingenieur: Makiol Wiederkehr AG, Beinwil am See).

Bild Hector Egger Holzbau AG, Langenthal

 

Das ist typisch für eine Aufstockung in Holz: Sie erfolgt in kürzester Zeit und ist ohne grosse Behinderungen des Verkehrs möglich. Sie verursacht aber auch keine massiven Beeinträchtigungen durch Lärm, Schmutz und Staub, so dass der Vorgang oft auch im bewohnten Zustand möglich ist. Da es sich um eine Trockenbauweise handelt, gibt es nicht zuletzt auch keine Feuchtigkeit, die vor dem Raumbezug erst reduziert werden muss.

 

Doch mit Holz baut man auch besonders energieeffizient. Denn das Material ist von Natur aus nicht nur mit wenig grauer Energie belastet, weil es im Wald heranwächst, sondern es wird auch sehr energiearm gewonnen und verarbeitet. Selbst im eingebauten Zustand spart Holz dank seiner geringen Wärmeleitfähigkeit täglich wertvolle Heizenergie. Wandkonstruktionen in Rahmenbauweise können überdies in ihrem Innern eine Wärmedämmung aufnehmen, die bei einer massiven Bauweise noch zusätzlich aussen aufgebracht werden müsste. So reichen bereits erstaunlich dünne Bauteile aus Holz, um sehr gute Wärmedämmwerte zu erreichen. Das ermöglicht ansehnliche Flächengewinne im Innern.

 

Energieeffizienz weitergedacht

 

Raumgewinn und Energieeffizienz lassen sich bei Aufstockungen auch über die neu erstellten Geschosse hinaus schlagend kombinieren. Zwar gelten in der Schweiz bei Aufstockungen in der Regel keine energetischen Vorgaben für das Gesamtbauwerk; nur der bauliche Zusatz gilt als Neubau und hat bestimmte Energiewerte zu erreichen. Dennoch kann im Zuge einer Aufstockung eine architektonische Lösung für das Gesamtbauwerk wesentlich zum Werterhalt einer Liegenschaft beitragen.

 

Ein umfassender Ansatz sieht typischerweise so aus, dass nicht nur der Dachbereich mit der Aufstockung energetisch auf Vordermann gebracht wird, sondern dass auch eine Erneuerung der ganzen Gebäudehülle erfolgt, wodurch ein Bau insgesamt energetisch verbessert wird. Ein noch ungenügend gedämmter Massivbau kann zum Beispiel mit einer Aussenhaut aus vorgefertigten Holzelementen mit integrierten Fenstern ummantelt werden, oder eine ungenügend gedämmte vorgehängte Fassade lässt sich damit ersetzen. Der mit der Aufstockung gewonnene, in der Regel besonders hochwertige und entsprechend gut vermietbare Raum trägt dazu bei, die Investition in die Gesamtqualität zu amortisieren.

 

Rundum neu in Holz

 

In solcher Weise hat zum Beispiel ein Mehrfamilienhaus an der Schaffhauserstrasse in Zürich-Seebach mit Baujahr 1959 zwischen Dezember 2014 und Mai 2015 wieder Anschluss an die Gegenwart gefunden – einer der typischen ‹Blöcke›, wie es sie zu Tausenden im Schweizer Mittelland gibt. Das Gebäude bekam nach dem System ‹Attico› von Häring & Co. AG in Eiken in einem Durchgang ein neues Geschoss mit drei Wohnungen und eine neue Fassade, unter der sich eine zeitgemässe Wärmedämmung verbirgt.

 

 

 

In einem Zug aufgestockt und energetisch saniert

Oben: Aufgestocktes und saniertes Mehrfamilienhaus an der Schaffhauserstrasse in Zürich (Bauherrschaft: privat; Generalunternehmer: Häring Holz- und Systembau AG, Eiken). Unten: Das Mehrfamilienhaus an der Schaffhauserstrasse in Zürich vor dem Eingriff.

Bilder Häring, Eiken

 

Die vorgefertigten Wand- und Deckenelemente aus Holz kamen zum genau richtigen Zeitpunkt nach den Abbrucharbeiten aus der Produktionshalle in Eiken auf die Baustelle. Nach wenigen Tagen waren sie montiert und die Gebäudehülle dicht. 24 Wochen nach Baufreigabe wurde das Gebäude in neuem Look schlüsselfertig übergeben.

 


Infos zu Holz

Die technische Beratung der Lignum erteilt unter Tel. 044 267 47 83 von Montag bis Freitag jeweils morgens von 8–12 Uhr kostenlos Auskunft zu allen Fragen rund um Holz. Das bei Lignum erhältliche Buch ‹Aufstocken mit Holz. Verdichten, Sanieren, Dämmen› vertieft die Thematik dieses Beitrags. Zu finden ist es im Lignum-Shop.