Alpensüdseite spiegelt Wald-Herausforderungen von morgen
Rund einhundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten am Symposium & Netzwerk Wald in Bellinzona den Ausführungen der Forstfachleute. Organisiert wurde die Tagung von WaldSchweiz und dem Schweizerischen Forstverein in Zusammenarbeit mit der Sektion Wald des Kantons Tessin, Bosco Ticino, Federlegno und der WSL in Cadenazzo.
Bild Gottardo Pestalozzi, WSL
Marco Conedera, Leiter der Gruppe Insubrische Ökosysteme der WSL in Cadenazzo, erläuterte die Situation der Kastanie. Als wärmeliebende Art wird sie oft als ‹Baum der Zukunft› für die Alpennordseite in Betracht gezogen. Ihre Anpassungsfähigkeit ist jedoch begrenzt: Die Kastanie ist licht- und pflegebedürftig, verträgt Trockenheit nicht gut und ist anfällig für verschiedene Krankheitserreger. Für die Forststrategie ist nicht nur die aktuelle Verbreitung einer Art von Bedeutung, sondern auch die Kenntnis ihrer Anbaugeschichte, das Vorhandensein möglicher Krankheiten – auch bei verwandten Arten – und ihre Plastizität, also ihre Fähigkeit, sich an allgemeine Bedingungen mit erhöhtem Wasserstress anzupassen.
Diese Anpassungsfähigkeit, insbesondere an steigende Temperaturen, wird zum Beispiel der Weisstanne zugeschrieben. Sie könnte der Zukunftsbaum schlechthin in alpinen Schutzwäldern werden, denn sie ist vermutlich weniger trockenheitsempfindlich als die Fichte und trägt mit ihren tiefen Wurzeln zur Stabilisierung des Bodens bei. Esther Frei von der WSL-Gruppe Bergökosysteme beobachtet seit sieben Jahren die Verjüngung der Weisstanne im bündnerischen Misox. Ziel ist es, die Umweltfaktoren zu ermitteln, die ihre Verjüngung begünstigen oder behindern.
Die Ergebnisse sind entmutigend: Das Überleben junger Weisstannen hängt fast ausschliesslich von der Intensität ab, mit der sie von wilden Huftieren und insbesondere von Hirschen beweidet werden. Wenn es nicht gelingt, die Wilddichte und die Wildschäden unter Kontrolle zu halten, ist nicht nur die Verjüngung, sondern gar das Überleben der Art im Misox gefährdet.
Neophyten auf dem Vormarsch – mit teils ungeahnten Folgen
Wo einheimische Bäume in Mitleidenschaft gezogen werden, etwa nach einem Störungsereignis wie einem Sturm oder einem Waldbrand, breiten sich häufig invasive Pionier-Neophytenarten aus. Auch in intakten Wäldern verbreiten sich die immergrünen Schmetterlingsblütler. Darunter befinden sich Neophyten wie die Chinesische Hanfpalme oder der Kirschlorbeer. Diese sind im Unterholz sehr aggressiv, insbesondere in der Nähe von Gärten, in denen Samen dieser Arten wachsen.
Die neuen invasiven Arten vertragen Hitze und Trockenheit relativ gut und werden vom Wild nicht gefressen. Erich Gehring von der WSL-Gruppe Insubrische Ökosysteme erläuterte die Folgen für den Wald am Beispiel des Götterbaums und der Chinesischen Hanfpalme. Durch ihre rasche Ausbreitung verdrängen diese Neophyten einheimische Arten und bilden in vielen Fällen unerwünschte Monokulturen. Ihre Fähigkeit, Waldfunktionen wie z.B. den Schutz zu übernehmen, ist noch wenig erforscht.
Im Falle der Palme kann ihr massives Auftreten im Falle eines Brandes zu einem Problem werden, da sie dazu neigt, die Intensität der Flammen zu erhöhen. In unseren Breitengraden werden Waldbrände meist durch menschliches Verhalten verursacht. Mittlerweile kommen jedoch, so Boris Pezzatti von der WSL-Gruppe Insubrische Ökosysteme, Dürreperioden und die Anhäufung von Brennmaterial im Wald dazu, die zu einer Zunahme der Intensität und Schwere von Bränden beitragen können. Die Forschung der WSL in Cadenazzo zum Thema Waldbrände hat dazu beigetragen, kantonale Strategien zur Prävention und zum Umgang mit diesem Phänomen zu entwickeln oder zu verbessern.
Link www.wsl.ch