Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Wohnen in einem Haus mit Wurzeln

‹Bewusst leben› heisst eine Maxime der Zeit. Nicht nur bei Lebensmitteln bevorzugen immer mehr Menschen Regionales aus nachhaltiger Produktion. Auch im Bauwesen steigt die Nachfrage nach authentischen Materialien wie Holz aus der Region.

 

Rundum Schweizer Holz

Links: Chasa Beer in Zernez (Architektur: Cadonau büro d’architectura sa, Ramosch). Rechts: Mehrfamilienhaus am Kirchrainweg in Kriens (Strategie und Gesamtkonzept: e4plus AG, Kriens; Architektur und Nachhaltigkeit: aardeplan AG, Baar; Holzbauingenieur: AG für Holzbauplanung, Rothenthurm).

Bilder Chasper Cadonau, Ramosch (links) | Gabriel Ammont, Fotoagentur Aura, Luzern (rechts)

 


Wenn der Zug aus dem Vereinatunnel ins Licht des Engadins schiesst, bietet sich dem Blick eine ganz andere Wohntradition als auf der Nordseite des Tunnels. Nachdem im Prättigau zuvor links und rechts der Bahn überall Holzbauten zu sehen gewesen waren, zeigen nun die traditionellen Bauten der Dörfer im Inntal dicke, weisse Mauern, die in der Sonne leuchten.

 

Man scheint hier, denkt der Reisende auf seinem Weg nach Scuol, wo die Bahnlinie endet, seit immer schon Holz allein für die Heubühnen, für Balkone, Fenster, Türen und natürlich für Innenausbauten zu brauchen. Nur hie und da begegnen dem Wanderer in den Ortschaften – abgesehen von Ställen und Maiensässen – Holzbauten: Es sind moderne Werke.

 

Gegen brachliegende Ressourcen

 

Doch der massive Eindruck der Engadinerhäuser täuscht. ‹Die ältesten Häuser, deren Aufbau wir bei Umbauten freigelegt haben, sind ummauerte Strickbauten›, korrigiert der Architekt Chasper Cadonau das schnell verfertigte erste Bild. ‹Erst später hat man allein Mauerwerk verwendet.› Dennoch: Der Holzbau zeigt kaum Flagge in diesem Tal. So wenig, dass auch Sägereien wie die in Ramosch, wo Cadonau sein Büro hat, von Scuol weiter dem Inn entlang Richtung Martina, mangels Auslastung schliessen mussten. Die Anlagen unten im Plan da Mulign wurden schon vor Jahrzehnten verkauft und abtransportiert.

 

Das störte Cadonau, dessen Grossvater einst die Sägerei betrieben hatte. Es störte ihn um so mehr, als er überzeugt ist, dass man beim Bauen lokale Materialien verwenden sollte. Wo, fragte sich Cadonau, bleibt da das naheliegende Holz aus dem Wald, der im Engadin die Berghänge üppig bedeckt? Warum Baustoffe von weither herbeiführen, in denen dann wegen der Transporte, die sie hinter sich haben, Unmengen an Grauer Energie stecken, wo es doch vor Ort alles gibt, was es zum Bauen und Wohnen braucht? Weshalb sollte sich das Tal Wertschöpfung vergeben, auf die es doch selber dringend angewiesen ist?

 

Aus der Region – für die Region

 

Das war für Chasper Cadonau die Geburtsstunde des Konzepts ‹Chasa Engiadina›. Die nach dem Grundsatz ‹Nachhaltige Qualität aus der Region› individuell und hochwertig erstellten Häuser bestehen aus Holz, das nachweislich in Graubünden gewachsen ist, nach Möglichkeit aus der Umgebung des Ortes, wo ein Bau entsteht. ‹Das ist nachhaltig: nämlich umweltschonend, energiesparend und gesund. Und es sorgt für Arbeit und Verdienst in der Region›, bringt Cadonau die Stärken seines Konzepts auf den Punkt.

 

Chasper Cadonaus Büro ist klein. Seine Aufträge sind meist Wohnbauten für Familien, je etwa zur Hälfte Sanierungen und Umbauten auf der einen und Neubauten auf der anderen Seite. Etwas mehr als ein halbes Dutzend Einfamilienhäuser nach dem Konzept der ‹Chasa Engiadina› hat Cadonau in den letzten paar Jahren bauen können. Wer ist die typische Bauherrschaft, die sich dafür interessiert? ‹Es ist eine Familie, die ganz bewusst ein energiesparendes und gesundes Haus will›, sagt Cadonau.

 

Erstes Minergie-A-Haus im Bündnerland

 

Eine Bauherrschaft wie die Familie Beer zum Beispiel. Ihr Bau nach dem Konzept ‹Chasa Engiadina› ist durch die Presse gegangen: denn die 2011 fertiggestellte Chasa Beer in Zernez war das erste Minergie-A-Haus des Kantons Graubünden und damit ein Gebäude an der Spitze der technischen Entwicklung.

 

In der Chasa Beer kommt der Beton für den Sockel aus Zernez, das benötigte Holz wurde in den Unterengadiner Gemeinden Sent und Tschlin geschlagen und nur wenige Kilometer entfernt in Ramosch gesägt und zu Elementen zusammengebaut – nicht zuletzt dank Aufträgen für Cadonaus ‹Chasa Engiadina› ist es im Plan da Mulign unten wieder lohnend geworden, Holz zu verarbeiten.

 

Verbindung schaffen

 

Baumaterial aus lokaler Herkunft schafft einen starken Bezug zur eigenen Umgebung – und das ist vielen etwas wert in einer Zeit, wo man im Mainstream der Dinge rudert, von denen keiner weiss, woher sie stammen und durch wessen Hände sie gegangen sind.

 

Tatsächlich fragen bewusste Bauherren zunehmend nach einheimischem Holz – und Konsumenten lassen sich immer öfter beim Einkauf im Do it & Garden vom ‹Herkunftszeichen Schweizer Holz› ansprechen, das seit 2009 alles Holz auf einen Blick kenntlich macht, das aus der Schweiz kommt und hier verarbeitet worden ist.

 

Bauen über das Einfamilienhaus hinaus

 

Dass sich mit Schweizer Holz bei weitem nicht nur Einfamilienhäuser erstellen lassen, die qualitativ top und technisch auf der Höhe der Zeit sind, zeigt etwa das Mehrfamilienhaus, das Marie-Theres und Markus Portmann am Kirchrainweg im Zentrum von Kriens bei Luzern im Frühjahr 2013 fertiggestellt haben.

 

Der von aardeplan Architekten aus Baar geplante Bau erreicht energetisch den Standard Minergie-A-Eco. Erstellt wurde das Haus in Holzbauweise mit Luzerner Weisstanne. Dabei kamen 230 Kubikmeter Holz zum Einsatz, das zu 85% aus Luzerner Wäldern stammt. Das Holz wurde im Umkreis von rund 30 Kilometern verarbeitet.

 

Das Beispiel zeigt, dass regionale Wertschöpfungsketten auch bei Projekten dieser Grösse – und darüber hinaus – realisierbar sind, wenn sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen. Unter www.holz-bois-legno.ch/bauten lässt sich eine Vielzahl von Bauten auffinden, die in den letzten Jahr ganz bewusst mit Holz aus unseren hiesigen Wäldern erstellt worden sind.

 


Link www.holz-bois-legno.ch