Reussdelta-Turm, 2012
3. Rang Region Zentrum (Kantone LU, NW, OW, SZ, TI, UR, ZG) des Prix Lignum 2012
Bauherrschaft: Kanton Uri, Altdorf
Architekt: Gion A. Caminada, Vrin
Holzbauingenieur: Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau AG, Rain
Bilder Lucia Degonda, Zürich | Prix Lignum 2012
1985 haben die Urnerinnen und Urner in einer Volksabstimmung das Gesetz über das Reussdelta angenommen. Es schreibt fest, dass das Gebiet als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie für Landwirtschaft und Erholungssuchende bestmöglich erhalten werden soll.
2002 entstand ein erster Aussichts- und Beobachtungsturm aus Holz im Gebiet Schanz. Wegen nicht behebbarer Schäden musste der Turm 2008 jedoch abgebrochen werden. Ende 2010 beschloss der Urner Regierungsrat, an gleicher Stelle einen Ersatzturm zu realisieren.
Der Entwurf der knapp zwölf Meter hohen Konstruktion mit markantem Dach stammt vom Architekten Gion A. Caminada, dessen Werke im bündnerischen Lugnez das Bild des modernen Schweizer Holzbaus über den ganzen Globus verbreitet haben. Gebaut wurde der Turm von lokalen Handwerkern und ihren Lehrlingen.
Architektur als Beitrag zur Landschaft
Der neu erstellte Aussichtsturm ist weit mehr als eine Plattform in der Höhe: Er schafft auch einen wertvollen architektonischen Beitrag. Zwischen den Bäumen, für den Wanderer erst spät erkennbar, taucht der kleine Turm auf, zwischen Bäumen und Schilf: leicht schräggestellte Rundholzstämme, kleine Plattformen zu vier Seiten, ein leichtes, flächig auskragendes Dach.
Das Haupttragwerk bilden sauber geschälte Rundholzstämme, die Bodenplatte aus Massivholzdielen und der innere runde Kern mit segmentartig zusammengefügten Massivhölzern. Die Konstruktion lobt die Jury des Prix Lignum als gut durchdacht und mit einer hohen handwerklichen Qualität ausgeführt. Die Rundhölzer aus Weisstanne von einem nahen Wald sind auf der Innenseite mit einem Einschnitt versehen – dieser hält die äussere Oberfläche ruhig und verlängert so die Lebensdauer dieses wichtigen Bauteils entscheidend. Verbindungen in Stahl sieht die Jury sinnvoll eingesetzt und zurückhaltend gestaltet.
Hahn im Korb
In der Mitte schlängelt sich eine Wendeltreppe hinauf. Die Tritte sind mit Zugstangen aus Rundstahl aufgehängt, was die Treppe leicht erscheinen lässt. Die grosse Liebe zum Detail zeigt besonders der Einsatz von Weidengeflecht im Innern. Beim Betreten der Treppe begleitet einen zunächst nur ein niedriges Geflecht aus Korbweide. Beim Hochsteigen gewinnt es aber kontinuierlich an Höhe, bis es den Besucher schliesslich komplett einhüllt. Geborgen wie in einem Korb kommt man oben an und erlebt die plötzlich frei werdende Aussicht auf Berge und See in wuchtiger Intensität.
Die Weide bildet neben dem Treppengeländer auch die Geländer der Aussichtsplattformen und verkleidet die Deckenuntersicht im Innere. Dünne Weidenstäbe hängen hier aus dem Geflecht heraus und bewegen sich langsam im Wind. Filigran und transparent, schafft das Geflecht eine frappante Ähnlichkeit zwischen dem Inneraum und den Pflanzenschleiern der unmittelbaren Umgebung. Schlüssig führe es die Absicht der Verfasser vor Augen, so die Jury. Mit ihrem Werk setzten sie sich nicht in Kontrast zur Landschaft, vielmehr suchten sie ein harmonisches Zusammenspiel von Kultur und Natur. Diese Haltung überzeugte die Jury des Prix Lignum 2012, gerade auch im Wissen um die Künstlichkeit der umgebenden Landschaft.
Links www.prixlignum.ch | www.reussdelta.ch