Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Verdichtung und Verdrängung in fünf Städten

Wie hat sich die bauliche Verdichtung in der Schweiz auf die Zusammensetzung der Bevölkerung ausgewirkt? Eine aktuelle Studie der ETH untersucht im Auftrag des Bundes in den fünf grössten Schweizer Agglomerationen – Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich – die Siedlungsentwicklung nach innen und deren Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung.

Genf – im Bild eine Holz-Aufstockung in der Stadt – reguliert den Mieterschutz und bauliche Eingriffe strenger und schafft trotzdem mehr Wohnraum als Zürich. In Genf wurden insgesamt doppelt so viele Gebäude aufgestockt wie neu gebaut. Die Verdrängung ist dabei 2015–2020 mit 0,08% sehr viel tiefer ausgefallen als in Zürich, wo sie 1,02% der Gesamtbevölkerung betrug. In der Stadt Zürich überwiegen die Ersatzneubauten deutlich – hier wurden 4,1-mal so viele Gebäude ersetzt wie aufgestockt.
Bild Corinne Cuendet, Clarens
 

In den letzten zwanzig Jahren ist in den fünf grössten Agglomerationen der Schweiz der Anteil neu erstellter Wohngebäude innerhalb der bestehenden Siedlungsfläche merklich gestiegen. Besonders in den Städten werden neue Wohnungen in erster Linie durch Ersatzneubauten, Aufstockungen oder durch die Umnutzung ehemaliger Industrie- und Gewerbezonen geschaffen – und kaum mehr auf bisher unbebautem Land.

Während zu Beginn der 2000er-Jahre Ersatzneubauten oder Umnutzungen von Industrieflächen noch selten waren, machen sie heute je nach Agglomeration bis zu 63% der Neubauten aus. Insbesondere durch die Umzonung von Industrie- und Gewerbeflächen konnte viel zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Forschungsgruppe Raumentwicklung und Stadtpolitik (SPUR) von David Kaufmann, Professor der ETH Zürich. Ein Beispiel ist Basel: Dort entstanden zwischen 2020 und 2023 rund 15% der neuen Wohngebäude auf früheren Industrie- oder Gewerbezonen; in diesen Gebäuden befinden sich sogar rund 24% aller neuen Wohnungen.


Meist Ersatzneubau statt Aufstockung

Die bauliche Verdichtung des Gebäudebestands erfolgt mehrheitlich durch Ersatzneubauten. In den Kernstädten spielen zudem Neubauten auf ehemaligen Industrie- oder Gewerbearealen sowie Aufstockungen eine wichtige Rolle, wobei letztere in den Städten Genf, Basel und Bern im Verhältnis zur Anzahl der Ersatzneubauten rund doppelt so häufig umgesetzt werden.

‹Zwischen 2020 und 2023 wurden in allen fünf Agglomerationen deutlich mehr Wohnhäuser abgerissen und durch Neubauten ersetzt als bestehende Gebäude aufgestockt. Das Verhältnis reicht von 1,7-mal so vielen Ersatzneubauten in der Agglomeration Bern bis zu 5,4-mal so vielen in der Agglomeration Zürich. In den Kernstädten sieht es anders aus: Nur in der Stadt Zürich überwiegen die Ersatzneubauten deutlich – hier wurden 4,1-mal so viele Gebäude ersetzt wie aufgestockt›, sagt David Kaufmann in den ‹ETH-News›.

‹Es zeigt sich, dass Aufstockungen zu einer ernstzunehmenden Option für die urbane Innentwicklung werden›, meint Kaufmann. Dies ist aus Sicht der Nachhaltigkeit auch sehr sinnvoll, da Aufstockungen ökologisch und sozial nachhaltiger sind als Ersatzneubauten.› Ersatzneubauten sind vergleichsweise ressourcenintensiv, da bestehende Bausubstanz abgerissen und neu gebaut werden muss. Dies führt dazu, dass ein repräsentativer Schweizer Ersatzneubau rund 1,8- bis 2,8-mal so viele Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus verursacht als eine Aufstockung.


Soziale Folgen der Verdichtung

Zwischen den Agglomerationen gibt es deutliche Unterschiede darin, wie häufig Langzeitmieter aufgrund eines Hausabbruchs oder einer Totalsanierung aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Im Zeitraum von 2015 bis 2020 waren 0,08% der Wohnbevölkerung in der Agglomeration Genf und 1,02% in der Agglomeration Zürich davon betroffen. Insgesamt wurden in den Agglomerationen Genf und Lausanne trotz höherer Bautätigkeit weniger Personen verdrängt als in den Deutschschweizer Agglomerationen. Über alle Agglomerationen hinweg fanden die meisten betroffenen Personen (zwischen 43,6 und 64,1%) wieder eine Wohnung in der gleichen Gemeinde.

Eine Wohnungskündigung aufgrund eines Hausabbruchs oder einer Totalsanierung trifft vorwiegend Haushalte mit tieferen Einkommen. So hatten Haushalte, die ihre Wohnung verlassen mussten, ein um 30,5–39,6% tieferes mittleres Einkommen als die Gesamtbevölkerung. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Ersatzneubauten verfügten hingegen über ein um 14,6–38,7% höheres mittleres Einkommen als die Gesamtbevölkerung.


Link Studie ‹Bautätigkeit und Verdrängung in der städtischen Schweiz› | ETH-News: ‹Aufstockungen werden zu einer echten Option der städtischen Innenentwicklung›