Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Ufe, aber gäng ned gschprängt

Das Bauen mit Holz kennt weltweit nur eine Richtung: hoch, höher, noch höher. Weltweit? Nicht ganz. Die Schweiz tickt anders: Hier sucht der Holzbau nicht den Höhenrekord, sondern kontinuierliche Entwicklung auf solider Basis. Und wächst damit ebenfalls in die Höhe – bloss gemächlicher.

Im April wurde auf dem Suurstoffi-Areal in Risch Rotkreuz der Grundstein für den neuen Campus der Hochschule Luzern gelegt. Das neue Hochhaus auf dem Areal (Bild) wird nach der Fertigstellung mit 15 Geschossen und 60 Metern das schweizweit höchste Holzgebäude sein (Bauherrschaft: Zug Estates AG, Zug; Architektur: Büro Konstrukt AG, Luzern; Manetsch Meyer Architekten AG, Zürich; Holzbauingenieure/Brandschutzplaner: Pirmin Jung Ingenieure AG, Rain; Holzbau: Erne AG Holzbau, Laufenburg). Derzeit höchstes Holz-Gebäude der Schweiz ist das Hochhaus S22, das sich auf demselben Areal befindet.
Visualisierung Zug Estates

 

 

Die internationalen Höhenrekorde im Bauen mit Holz jagen sich. Im August 2016 feierte man in Vancouver die Aufrichte des 18-geschossigen Studentenheims ‹Brock Commons› der University of British Columbia. Es galt ab dann mit 53 Meter Bauhöhe als derzeit höchster Holzwohnbau der Welt. 

 

Um das Podest herrscht allerdings bereits wieder Gerangel. Das im Bau stehende ‹HoHo› – Holz-Hochhaus – Wien ist auf 24 Geschosse und 84 Meter Höhe angelegt. 2019 soll es fertig sein. Bevor es soweit ist, geht der Lorbeerkranz für die nächste Bestmarke indessen an die Norweger, die mit ihrem ‹Mjøstårnet› in Brumundall nördlich von Oslo 80 Meter Bauhöhe über 18 Geschosse anpeilen und bereits bei Etage 17 angelangt sind.

 

Doch damit ist das Ende der Fahnenstange noch längst nicht in Sicht. So tüfteln zum Beispiel Forscher der Universität Cambridge zusammen mit dem Büro PLP Architecture und Ingenieuren von Smith and Wallwork an der Konstruktion eines Holz-Wolkenkratzers für London unter dem Namen ‹Oakwood Timber Tower›, der 300 Meter Höhe erreichen könnte. Den Vogel schossen indessen jüngst die Japaner ab: Vor kurzem ist das Forstunternehmen Sumitomo Forestry Co. mit dem Projekt eines 350 Meter hohen Holz-Hochhauses in Tokio auf den Plan getreten, das bis 2041 entstehen soll.

 

Zugegeben, hohe Ziele befeuern die Vorstellungs- und damit auch die Tatkraft. Aber Höhen-Ehrgeiz beim Bauen mit Holz ist definitiv nicht ‹the Swiss way›. Das erste Holz-Hochhaus hierzulande, der derzeit in Risch Rotkreuz fertiggestellte Zehngeschosser ‹S22›, ist mit seinen 36 Metern zwar baurechtlich ein echtes Hochhaus, aber keines, das mit internationalen Ikonen dieser Gattung um Rekorde wetteifern will.

 

Es zeigt, wie behutsam und solide die Holzbaubranche in der Nutzung der neuen Möglichkeiten vorgeht, welche die Brandschutzvorschriften der neusten Generation eröffnen: Man sucht nicht auf Biegen und Brechen das Maximum um des Showeffekts willen, sondern entwickelt das Bauen mit Holz auf sicherem Grund Schritt um Schritt stetig weiter. Das zweite Holz-Hochhaus der Schweiz – es entsteht unweit des ersten ebenfalls in Risch Rotkreuz – sucht ebenfalls keinen Dimensionssprung. Es wird nach der Fertigstellung 2019 mit seinen 15 Geschossen 60 Meter messen.

 

Rund zwanzig Jahre Forschung und Entwicklung stecken im heutigen Stand der Technik des hohen Bauens mit Holz, wie es heute in der Schweiz von den Marktführern umgesetzt wird. Die ersten Hochhäuser mit Holz stützen sich auf zehn Jahre Erfahrung im mehrgeschossigen Bauen bis sechs Geschosse. Anders gesagt: Die Schweizer Holzbaubranche macht keine Experimente. Was sie baut, ruht auf tragfähigem Fundament. Spannend genug bleibt der stete Weg nach oben allemal, den das Baumaterial Holz derzeit beschreitet. Aber eben: Ufe, aber gäng ned gschprängt.

 


Christoph Starck
Direktor Lignum, Holzwirtschaft Schweiz