Schweizer Laubholz rüstet sich für den Bau

Laubholz-Konstruktionen sind nicht nur technisch leistungsfähig, sondern überzeugen auch ästhetisch: Gastronomiegebäude für die sozialpädagogische Einrichtung Ekkharthof auf dem Seerücken, 2018. Die eindrückliche Tragstruktur besteht ganz aus Esche.
Bild Lucas Peters, Zürich
Mit einem Anteil von 18% ist die Buche nach der Fichte der zweithäufigste Baum in unseren Wäldern. Über 40% aller Laubbäume in der Schweiz sind Buchen. Ihr Holz findet allerdings bislang für Bauzwecke kaum Anwendung. Denn der moderne Holzbau ist ganz auf Nadelholz ausgerichtet. Was also tun mit dem reichlich vorhandenen Schweizer Rohstoff Buche? Kann es der Weisheit letzter Schluss sein, ihn zu einem grossen Teil nur energetisch zu nutzen? Buchenholz ist zwar schwer zu bearbeiten, aber von seinen Eigenschaften her ein Material, das prädestiniert scheint für die angebrochene Epoche des hohen Bauens mit Holz.
ETH-Holzbauprofessor Andrea Frangi nennt Buche gern den ‹Ferrari im Holzbau›. Denn Buchenholz ist so zäh und fest, dass damit hochbelastbare Konstruktionen möglich werden, die an die Stelle von Beton und Stahl treten können. Das kann den ökologischen Fussabdruck von Bauten wesentlich verringern. In den letzten Jahren hat die Forschung und Entwicklung von Produkten aus Laubholz für konstruktive Anwendungen darum eine regelrechte Blüte erlebt. International bieten mittlerweile verschiedene Hersteller Bauprodukte aus Laubholz an, die zunehmend Verwendung in anspruchsvollen Tragwerken finden.
Beliebtes Brettschichtholz für den Holzbau
Heute werden im Bauwesen mit Vorliebe verklebte Holzprodukte eingesetzt. Sehr häufig verwendet wird Brettschichtholz. Gegenüber Massivholz ist es generell tragfähiger, in seinen Eigenschaften ausgeglichener und daher auch dimensionsstabiler. Vor allem aber ist ein Träger aus Brettschichtholz nicht mehr an die natürlichen Masse eines gewachsenen Baumstammes gebunden, sondern in seinen Dimensionen frei definierbar. Durch diese Vorteile hat sich Brettschichtholz zu einem der wichtigsten Produkte im Holzbau entwickelt.
Als Ausgangsmaterial für Brettschichtholz eignen sich neben dem gängigen Nadelholz auch unsere heimischen Holzarten Buche, Esche und Edelkastanie in hervorragender Weise – daraus entsteht sehr viel druck- und zugfesteres Brettschichtholz als aus Nadelholz. Schweizer Hersteller von qualitätsgesichertem Brettschichtholz aus Buche, Esche und Edelkastanie sind auf der Homepage von Holzindustrie Schweiz (www.holz-bois.ch) oder auf dem Web-Marktplatz für Schweizer Holz www.lignapool.ch zu finden.
Stabschichtholz aus dem Schweizer Jura
Im jurassischen Les Breuleux hat im letzten Jahr das Unternehmen Fagus Suisse SA die Produktion gestartet. Es wird vom Bund unterstützt und von Waldbesitzern und ökologisch engagierten Investoren getragen. Über Jahre hinweg hat Fagus – der Name bedeutet lateinisch soviel wie ‹Buche› – zusammen mit dem Departement Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule eine neuartige industrielle Verarbeitungstechnologie für Laubholz entwickelt: Stabschichtholz. Was in Les Breuleux aus dem Werk kommt, ist ein Konstruktionsholz aus verleimten Stäben, das sehr hohe Festigkeit mit der natürlichen Ästhetik von Massivholz verbindet.
Damit lässt sich das schwierig zu handhabende Buchenholz, aber auch anderes Laubholz wie Esche, Eiche oder Edelkastanie zu hochbelastbaren Trägern und Stützen formen. Diese sind je nach Anwendung etwa zwei- bis dreimal so stark wie solche aus Nadelholz und erlauben entsprechend tragfähige Konstruktionen. Das Holz wird regional geerntet und gesägt und bei Fagus im Jura zu fertigen Bauteilen verarbeitet. Die gesamte Produktion findet mit kurzen Transportdistanzen in der Schweiz statt; verarbeitet wird zu 100% Schweizer Holz.
Von Kopf bis Fuss auf Esche eingestellt
Wer eine aktuelle Laubholzkonstruktion auf sich wirken lassen möchte, kann dies zum Beispiel im Ekkharthof tun, der südöstlich von Kreuzlingen auf dem Seerücken gelegen ist. Im Ekkharthof arbeiten seit 1974 Menschen mit Betreuungsbedarf nach anthroposophischen Grundsätzen. Der Speisesaal des neuen Gastronomiegebäudes, das 2018 fertiggeworden ist, steht auch auswärtigen Gästen offen.
Ein Besuch lohnt sich für Holzinteressierte: denn die ganze Tragstruktur des selbstbewussten Gebäudes besteht aus Schweizer Esche – ebenso übrigens die eigens gefertigten Tische und Stühle. Der transparent gestaltete Bau (Bauherrschaft: Ekkharthof-Verein, Lengwil, Hochbauamt Kanton Thurgau, Frauenfeld; Architektur: Lukas Imhof Architektur GmbH, Zürich; Holzbauingenieure: Josef Kolb AG [ heute B3 Kolb AG], Romanshorn) erhebt sich auf einem Betonsockel, der ins Terrain geschoben ist und die Lage über dem See inszeniert.
In der Erscheinung des Tragwerks überlagert sich die anthroposophische Formenwelt mit technischen Aspekten: Zur optimalen Kraftübertragung sind die Knoten leicht konisch ausgebildet. Die Fenster weisen dadurch abgeschrägte Ecken auf. Die Tragstruktur wirkt insgesamt robust und kräftig, was zum einen mit den Proportionen zu tun hat, aber auch mit der Ausbildung als selbstaussteifendes Rahmentragwerk.
Laubholz für tragende Zwecke bis hin zum Hochhaus
Der ‹Ekkharthof› ist eines der aktuellen Bauprojekte, welche das Lignum-Holzbulletin ‹Laubholz› vom Juni dieses Jahres darstellt. Gezeigt werden darin auch grosse Bauten wie die neue Eishalle in Pruntrut, wo die hochbeanspruchten Teile des Tragwerks aus regionaler Buche und Esche entstanden, oder ein Verwaltungsgebäude des Bundes in Ittigen, wo Buche für die stark belasteten Stützen im Erdgeschoss Verwendung fand.
Spannend ist ein Ausblick: Auch im 75-Meter-Holzhybridhochhaus ‹H1› der Anlagestiftung Pensimo auf dem Zwhatt-Areal in Regensdorf, das derzeit in Planung steht, soll ein Tragwerk aus Schweizer Buche zum Einsatz kommen. Die tragenden Stützen und Unterzüge werden aus Fagus-Produkten bestehen. Bezugsbereit soll das Hochhaus 2024 sein.
Lignum-Publikation Ende Oktober greifbar
Laubholzkonstruktionen dürften künftig also zulegen. Damit Planerinnen und Anwender bei diesem Thema den Durchblick haben, gibt Lignum diesen Herbst mit Unterstützung des Aktionsplans Holz des BAFU eine umfangreiche ‹Lignatec›-Ausgabe zu verklebten Laubholzprodukten für den statischen Einsatz heraus.
Ziel der Publikation ist es, eine aktuelle Produkteübersicht zu bieten, Bemessungswerte und Einsatzgebiete verlässlich anzugeben sowie einen Überblick über die Anbieter zu geben. Die Lignum-Darstellung unter dem Titel ‹Verklebte Laubholzprodukte für den statischen Einsatz› konzentriert sich dabei ganz auf Produkte aus der Schweiz, für welche detaillierte technische Angaben vorliegen. Die neue Publikation erreicht in der zweiten Oktoberhälfte alle Lignum-Mitglieder per Post und ist ab dem 25. Oktober im Lignum-Shop bestellbar.
Link Reihe Lignatec im Lignum-Shop