Prix Lignum 2012: Die nationalen Gewinner
BärenWaldhaus, Bern, 2012 (Gold, oben links), Wohn- und Geschäftshaus Badenerstrasse, Zürich, 2010 (Silber, unten links) und Neubau Tamina-Therme, Bad Ragaz, 2009 (unten rechts).
Bilder Ralph Hut, Zürich (1), Michael Meuter, Zürich (1), Grand Resort Bad Ragaz AG (1) | Prix Lignum 2012
Von der Brücke bis zum Stuhl waren für den Prix Lignum 2012 alle Arten von Objekten zugelassen – einzige Bedingung: Das Werk musste zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. März 2012 realisiert worden sein und seinen Standort in der Schweiz haben. 342 Projekte aus allen Bereichen wurden bis Mitte April eingereicht. Die Jurys bestimmten im Mai und Juni die Preisträger sowie die Träger von Anerkennungen.
Die Eingaben für den Prix Lignum 2012 zeigen, dass Holz urban geworden ist und immer häufiger bei Hotels, Mehrfamilienhäusern oder anderen grösseren Objekten in der Stadt eingesetzt wird. Es ist offensichtlich: Der Holzbau erlebt einen Aufschwung und hat ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Die schönen Resultate des Prix Lignum 2012 lassen daran keinen Zweifel. In ihrer hohen Qualität und grossen Vielfalt machen sie deutlich, dass der Holzbau die Chance zu einer breiten Entwicklung in der ganzen Schweiz hat.
Gold für die Berner Mutzen
Den ersten Rang belegt mit Gold das BärenWaldhaus in Bern (Bauherrschaft: Tierpark Dählhölzli und Stadtbauten Bern; Architektur und Gesamtleitung: Architekturbüro Patrick Thurston, Bern; Holzbauingenieur: Indermühle Bauingenieure, Thun; Holzbau: Gfeller Holzbau GmbH, Worb).
Das Bauwerk thematisiert den Wald als Lebensraum der Bären. Nicht immer erblickt allerdings einen Bären, wer das neu erstellte BärenWaldhaus im Tierpark Dählhölzli besucht. Der Gang durch die verwinkelten Räume hindurch lohnt sich dennoch in jedem Fall. Der Architekt Patrick Thurston hat ein Haus geschaffen, das weit mehr als ein Dach über dem Kopf bietet. Stein und Holz bilden Räume, die ihre Besucher auf die urtümliche Kraft der Tiere hinter der Glasscheibe einstimmen.
Seinen archaischen Charakter bezieht das Haus aus einer überraschenden Konstruktion: Dicke Trockenmauern aus Naturstein und Wände aus massiven Holzblöcken tragen ein hohes Holzdach in Strickbau. Durchlaufende Holzbinder in beiden Richtungen stabilisieren die Wände und bilden ein schönes, konstruktiv begründetes Ornament auf der Oberfläche. Das Haus ist unbeheizt.
Jenseits aller bauphysikalischer Normen bieten die Räume nach den Worten der Jury eine Behaglichkeit, die sich mit allen Sinnen erfahren lässt: Die dicken Wände schützen vor Wind und Kälte, das naturbelassene Holz verströmt einen angenehmen Geruch. Im rohen Holz in der Wand sitzend, fühlt man sich geborgen, die Oberflächen laden zur Berührung ein. Schritte und Stimmen verfangen sich im hohen Strickbau des Dachs. Holz und Stein schaffen im BärenWaldhaus eine einmalige Stimmung.
Das Zusammenspiel der beiden Materialien ist aber auch technisch wegweisend: Es zeigt Wege der Holzverwendung jenseits der Konventionen auf: roh statt veredelt, massiv statt stabförmig, stehend statt liegend belastet. Ein archaischer Mischbau – man darf gespannt sein, was dieser Impuls anderswo auslöst.
Silber für erstes 2000-Watt-Gebäude in Zürich
Auf dem zweiten Rang findet sich mit Silber ein wegweisendes Wohn- und Geschäftshaus an der Badenerstrasse in Zürich (Bauherrschaft: Baugenossenschaft Zurlinden, Zürich; Architektur: Pool Architekten, Zürich; Holzbauingenieur: SJB Kempter Fitze AG, Herisau; Bauingenieur: Henauer Gugler AG, Zürich; Holzbau: Zimmereigenossenschaft Zürich und Jäggi Hafter Holzbau, Regensdorf).
Das erste 2000-Watt-taugliche Gebäude der Stadt Zürich ist ein technisch innovativer Holzbau mit vorgehängter Fassade. Dass es sich um einen Holzbau handelt, sieht man dem Gebäude nicht an – die Fassadenverkleidung besteht aus Glasfaserzement. Diese überraschende Aussenhaut schafft jedoch eine selbstverständliche Integration in die städtische Umgebung mit ihren vorwiegend mineralischen Fassaden. So kann sich der Holzbau in Zukunft für eine zur Zeit wichtige Bauaufgabe etablieren, den städtischen Wohnungsbau, wie die Jury in ihrer Laudatio zu Recht bemerkt.
Technische Innovationen machen das Haus zu einem ökologischen Pionierbau. Das Sockelgeschoss in Ortbeton dient statisch als Abfangtisch, darauf steht ein sechsgeschossiger Holzbau. Die Decken sind aus Lignatur-Elementen mit überdurchschnittlichen Schalldämmwerten. Für die Wände wurden Holzbohlen nach einem neuartigen System direkt auf der Baustelle senkrecht aneinandergefügt.
Auch architektonisch überzeugt das Gebäude. Ausgangspunkt war die stark lärmbelastete Lage an der Badenerstrasse, die es erforderte, dass jede Wohnung zur ruhigen Seite am Park belüftet wird. Die Architekten entwickelten durchgehende Wohnungen mit faszinierenden räumlichen Qualitäten und teilten die 54 Einheiten auf sechs Gebäudeteile auf. So entstand eine expressive und dennoch städtische Gebäudeform in Holz.
Bronze für Thermenneubau in Bad Ragaz
Den dritten Platz belegt mit Bronze der Neubau der Tamina-Therme in Bad Ragaz (Bauherrschaft: Grand Resort Bad Ragaz AG, Bad Ragaz; Architektur: Smolenicky & Partner Architektur, Zürich; Holzbau: Blumer-Lehmann AG, Gossau SG). Inmitten einer Parklandschaft zeigt sich der Neubau der Tamina-Therme als formal opulenter, reiner Holzbau. Im Innern überzeugt er mit einer lichtdurchfluteten, strahlend weissen Raumstruktur. Vertikal gestellte, ovale Fenster geben surreal anmutende Ausblicke frei auf die Mammutbäume im Park.
Konstruktiv entschlüsselt sich die Struktur erst auf den zweiten Blick. Geschickt verblendet ein ungerichtetes Raumgitter aus Stützen und Unterzügen das im Dachraum verborgene horizontale Tragsystem. Der konstruktive Holzbau erscheint folgerichtig und die Verwendung von sichtbaren Holzoberflächen überaus schlüssig, wie die Jury lobt. Mit Holz lassen sich derart dimensionierte Stützen, Deckenroste und Fassadenelemente ökonomisch vorfabrizieren und transportieren. Raffiniert erfolgt die Horizontalaussteifung nur mittels der eigenwilligen Formgebung der Stützen.
Die gesamte Konstruktion über Wasser bauten die Verfasser in Holz, das Material zieht sich sogar bis in die Gestaltung der Leuchten. Schlüssig folgen auch die Ausbildung von Rosten und Brüstungen oder der dreifache Farbanstrich der Logik des angemessenen Konstruierens mit Holz am Wasser. Weiss gestrichen, evoziert das Holz Vorbilder wie Piers oder Strandkabinen und vermag den Gast in eine Stimmung von Erholung und Urlaub zu versetzen.
Umfangreiche Publikation und Ausstellungen in der ganzen Schweiz
Ein dreisprachiges Sonderheft der Zeitschrift ‹Hochparterre› präsentiert alle ausgezeichneten Projekte des Prix Lignum 2012. Es erscheint als Beilage zur ‹Hochparterre›-Ausgabe 10/2012. Die Publikation mit 64 Seiten Umfang kann auch einzeln bezogen werden. Sie kostet CHF 15.– und ist ab sofort beim Verlag Hochparterre oder bei Lignum zu bestellen (<link shop fachbuecher architektur>www.lignum.ch/shop/fachbuecher/architektur).
Sämtliche zum Prix Lignum 2012 eingegebenen Projekte sind in der Datenbank des Preises online einsehbar. Die Resultate des Prix Lignum 2012 werden zu folgenden Gelegenheiten öffentlich ausgestellt: Umweltarena Spreitenbach, (28. September – 18. Oktober 2012), Hausbau- und Energiemesse Bern (8.–11. November 2012), Hochschule Luzern Technik & Architektur, Horw (3.–21. Dezember 2012). Weitere Daten im Internet.
Link www.prixlignum.ch