Buche: Ein Holz mit Potential
Oben: Blick in eine Wohneinheit des Holzmoduls ‹Vision Wood› im NEST der Empa in Dübendorf. Unten: In der neuen Halle der Pilatus Flugzeugwerke AG in Stans werden Fachwerkträger aus BauBuche und GSA-Technologie eingesetzt.
Bilder Roman Keller (oben) | Strüby Konzept AG (unten)
Die statischen Eigenschaften und die Eigenheiten von Buchenholz für bauliche Zwecke, Möglichkeiten für Verbundbaustoffe, Eigenschaften der Oberflächen auf Mikroebene und die Entwicklung einer biobasierten, ultraleichten Holzwerkstoffplatte standen in Mittelpunkt der Präsentationen in der Empa-Akademie. Durch die Tagung führten Tanja Zimmermann, Leiterin der Abteilung Angewandte Holzforschung an der Empa Dübendorf, und Ingo Burgert, Professor am Institut für Baustoffe der ETH Zürich.
Dem Drachenbaum auf den Ast geschaut
Wie eine Ast-Stamm-Anbindung als Vorbild für technische Faserverbundverzweigungen dienen könnte, skizzierte Thomas Speck, Leiter der Plant Biomechanics Group und Direktor des Botanischen Gartens an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in Breisgau (Deutschland). Dabei dienen Drachenbäume (Dracaena) als Ideengeber für den Leichtbau. In Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie KIT (Institut für Mikrostrukturtechnik) wurden Grundlagen erarbeitet, um technische Faserverbundverzweigungen nach dem Vorbild der Ast-Stamm-Anbindungen dieser Pflanzen zu entwerfen. Hochauflösende Magnetresonanz-Bildgebungsverfahren machten es möglich, an lebenden Drachenbäumen zu beobachten, wie sich das pflanzliche Gewebe bei Belastung verhält.
Technische Faserverbundverzweigungen, die sich ähnlich verhalten wie die natürlichen Vorbilder, könnten künftig in architektonischen Tragwerken, Fahrradrahmen oder Fahrzeugkarosserien eingesetzt werden. Die Wissenschafter betrachteten sowohl die gesamte Ast-Stamm-Anbindung als auch einzelne Leitbündel. Damit werden Veränderungen vom unbelasteten zum belasteten Zustand möglichst genau ergründet. Je nach ihrer Lage in der Verzweigung werden Faserbündel teilweise längsgedreht und nehmen so Zuglasten auf, oder sie werden quer gegen das umliegende Gewebe gedrückt, um Druckkräfte abzudämpfen. Diese Erkenntnisse lassen sich in technische Faserverbundverzweigungen übertragen, um sowohl leichte als auch stabile Werkstoffe aufgrund des natürlichen Vorbilds zu entwickeln.
Holzverklebungen unter der Lupe
‹Neue Analysemethoden zur Charakterisierung der chemisch-physikalischen Oberflächeneigenschaften auf Mikroebene› war das Thema von Johannes Konnerth vom Institut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe an der Universität für Bodenkultur, Wien, Standort Tulln (Österreich). Er untersucht mechanische Eigenschaften von Klebstoffen, unter anderem deren Kriechverhalten. Die Adhäsion von Klebstoffen an unterschiedlichen Holzoberflächen – etwa gehobelt oder rauh – führt zu unterschiedlichen Hafteigenschaften der Klebstoffe. Grundlage sind neuartige Messmethoden für Oberflächeneigenschaften im Blick auf die Adhäsion. Dabei wurde deutlich, dass auch die Alterung einer gehobelten Oberfläche die Haftfähigkeit von Klebstoffen beeinflusst.
Mit chemisch funktionalisierten Spitzen kann ein Rasterkraftmikroskop (Atomkraftmikroskop AFM) zu einem Messwerkzeug werden, das Kräfte zwischen Molekülen messen, Oberflächenenergie auf Nanometer-Ebene und den pKa-(pH-)Wert einer Oberfläche (Säure/Basengruppen) bestimmen sowie die Verteilung funktioneller Gruppen und ihren Ionisierungszustand messen/abbilden kann. Dies ist eine der wichtigen Grundlagen für die dargelegten neuen Analysemethoden und erlaubt präzisere Aussagen etwa über die Eigenschaften von Holzverklebungen.
Was Brettschichtholz aus Buche leistet
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Anteile an Buche in unseren Wäldern – vor allem im östlichen Jura, aber auch im Tessin – kommt der Forschung bezüglich der Verwendung von Laubholz im Bauwesen grosse Bedeutung zu. Buchenholz weist ausgezeichnete Festigkeitswerte auf, nämlich eine hohe Biege-, Zug- und Druckfestigkeit. Buche kann unter Umständen Stahl und Beton als Baustoff ersetzen.
Zum Thema ‹Brettschichtholz aus Buche – das Festigkeitspotential des Rohmaterials, Keilzinkung und Flächenverklebung› informierte Thomas Erhart vom Institut für Baustatik und Konstruktion IBK der ETH Zürich. Untersucht wurde an rund 300 Proben die Zugfestigkeit von Brettern mit und ohne Äste. Dasselbe geschah im Hinblick auf das Verhalten von Keilzinkungen in Bezug auf die Zugfestigkeit.
Zentral für die entsprechenden Festigkeitswerte erwiesen sich noch vor den Kriterien Sortierklasse, E-Modul und Dichte insbesondere der Faserverlauf und die Jahrringlage. Für eine Bewertung von Keilzinkungen eignen sich vorab Untersuchungen zur Zugfestigkeit. Zum weiteren Vorgehen nannte Erhart Untersuchungen zur Biegefestigkeit, zu homogenisierter Zugfestigkeit sowie zu Schub- und Druckfestigkeit.
Beton und Buche im Verbund
Am Beispiel von Untersuchungen am IBK zeigte Andrea Frangi, was eine Holz-Beton-Verbunddecke aus Buchenfurnierschichtholz zu leisten vermag. Ein Paradox: Holz-Beton-Verbund ist gemäss Frangi deshalb wirtschaftlich, weil dabei Holz durch Beton ersetzt wird. Die Buchenplatten, eingesetzt als Bewehrung der Betonkonstruktion, dienen aber gleichzeitig als Schalung und bilden im Idealfall die fertige Deckenuntersicht im Gebäude.
Die kraftschlüssige Verbindung von Holz und Beton geschieht dabei über Kerben in der Platte aus Buchenfurnierschichtholz. Vorausgehende Versuche haben gezeigt, dass diese Art und Weise der Verbindung im Bau praktikabel ist und dass sie sich mittels punktuell eingesetzter Stahlzugteile (Schrauben) zusätzlich stabilisieren lässt.
Am Neubau für das ‹House of Natural Resources› der ETH im Campus Hönggerberg wurden diese Erkenntnisse erfolgreich baulich umgesetzt. Die je 400 m2 messenden Geschosse sind allein über mit Stahl vorgespannte Träger und Stützen stabilisiert, kommen also statisch ohne stabilisierende Wände aus. Es besteht Aussicht darauf, diese technische Entwicklung in nächster Zeit für Wohngebäude in Berlin einzusetzen.
Wegbereiter für die Buche im Jura
Die 2014 gegründete Firma Fagus Jura AG (Vendlincourt, Kanton Jura) plant in einem Produktionscenter die Herstellung von Buchenleimholz. Auf den gemeinsam mit Maschinenbauspezialisten entwickelten Anlagen sollen künftig jährlich bis zu 20000 m3 hochwertiges Buchenkonstruktionsholz produziert werden. Die Firma engagiert sich für technisch hochstehende Anwendungen von Buchenholz in Bau und Ausbau.
Stefan Vögtli informierte als Projektleiter über die derzeit im Gang befindliche Entwicklung unter dem Referatstitel ‹Stabschichtholz als Leistungsträger für den Hochleistungs-Holzbau›. Seine Überzeugung: Der Markt verlangt statisch leistungsfähige Holzbauprodukte, erweiterte architektonische Möglichkeiten für den Einsatz von Holz sowie standardisierte Halbfabrikate.
Eine dieser Entwicklungen ist eine stabverleimte Konstruktionsplatte, nämlich eine aus gesägten Stäben verleimte Platte aus Buchenholz, welche homogenisierte technische Werte aufweist und somit als hochwertiges Produkt im Bauwesen zu sehen ist. Die Vorarbeiten (Forschung und Entwicklung, Finanzierung und Markteinführung) sind im Gange. Im Herbst 2018 soll diese Stabschichtholzplatte aus Buche lieferbar sein. Sie soll Stärken von 30–100 mm, Breiten von 60–1250 mm und Längen von maximal 15 m aufweisen.
Laubholz im Ingenieurholzbau
Über den Einsatz von Laubhölzern im modernen Ingenieurholzbau referierte Bruno Abplanalp von der Neuen Holzbau AG in Lungern. Die Firma produziert bereits seit längerer Zeit Brettschichtholz aus Buche, arbeitet aber auch mit anderen Laubholzarten wie zum Beispiel Esche. Abplanalp betonte, dass bei Tragwerken aus Laubholz nicht allein der Vergleich mit herkömmlichen Nadelholzträgern zähle, sondern auch die Verbindungsmittel, die Leistung im Verhältnis zur Bauhöhe der Träger usw. Erst dann würden die technisch-wirtschaftlichen Vorteile von Laubholz augenscheinlich, ganz abgesehen vom überzeugenden Erscheinungsbild.
Die Firma Neue Holzbau AG Lungern sieht sich als reiner Zulieferbetrieb und führt keine Montagearbeiten am Bau aus. Aber der Betrieb weiss genau, was die Bauunternehmen benötigen, und es wird auch intensiv in Forschung investiert. Das schlägt sich in grösseren und auch kleineren Bauprojekten nieder, bei denen die schlanken Holzprofile in Laubholz mit ihren nicht mehr sichtbaren Stahlverbindern insbesondere auch den architektonischen Intentionen von Investoren und Gestaltern entgegenkommen.
Neue Perspektiven für die Möbelproduktion
Was die Entwicklung einer biobasierten ultraleichten Holzwerkstoffplatte bedeutet, erläuterte Heiko Thömen, Leiter des Kompetenzbereichs Werkstoffe, Möbel und Design der Berner Fachhochschule. Leichte und stabile Platten mit Holz sind für die industrielle Möbelproduktion und insbesondere für Mitnahmemöbel von Interesse.
Die Entwicklung basiert auf der Idee, eine Dreischichtplatte zu entwickeln, deren Mittelschicht ein Granulat ist. Ein NFP-66-Projekt (Nationales Forschungsprogramm Ressource Holz) arbeitet mit einem biobasierten Material für die Mittelschicht, dessen Treibmittel nicht brennbar sein darf, das beim Aufschäumen eine Temperatur von maximal 100 Grad Celsius benötigt und sich gut mit den Deckschichten verbindet.
Der Pressdruck bei der Produktion ist so zu bemessen, dass der Druck im Innern der Platte durch das Aufschäumen des Materials bei der Produktion kontrolliert zu managen ist. Die ersten Versuche sind vielversprechend angelaufen; weitere Versuche sind notwendig, um das Produkt zur Serienreife zu bringen.
Schrittweise Entwicklung
Die Entwicklungen für neue Holzanwendungen bewegen sich schrittweise und vergleichsweise unspektakulär. Das entspricht sinngemäss der Charakteristik von Holz. Wir können das Holz nicht einfach neu erfinden, aber wir können neue Wege und Anwendungen erkunden, die langfristig in Bau und Ausbau, bei Holzchemieprodukten und auch in heute noch gar nicht bekannten Aufgaben zu Lösungen führen, die wirtschaftlich tragfähig und gleichzeitig technisch fortschrittlich, allenfalls bahnbrechend sind.
Der Besuch des Moduls Holz im Experimentalbau NEST der Empa führte eindrücklich vor Augen, wie solche praxisbezogene Forschung in der Realität aussieht. Die Holzforschung in der Schweiz und in ganz Europa ist heute gut vernetzt; die Industrie und auch die Gestalter – Architekten, Ingenieure und Designer – sind als interessierte Partner eingebunden. Mehr und mehr erweist sich das Holz als zukunftsträchtiges Material mit ausserordentlichem Potential in technischer, gestalterischer, ökonomischer und auch ökologischer Hinsicht.
Links www.s-win.ch | www.empa.ch/web/nest