Auf der Suche nach neuen Anwendungen von Holz in der Baupraxis
Im IBOIS an der EPF Lausanne wird im Grossmassstab mit Verbindungen für Tragwerke aus elastisch verformten, mehrschichtigen Holzplatten experimentiert – eine Art Holz-Holz-Version für mechanische Verbindung.
Bild IBOIS EPF Lausanne
Bauwerke bis zu sechs Geschosse sind heute möglich, Fassadenkonstruktionen mit Holz gehen noch höher. Neue Brandschutzkonzepte und die damit verbundenen liberalisierten Brandschutzvorschriften sind dafür grundlegend. Dazu gehören die entsprechenden Schallschutzmassnahmen und holzbautechnisches Wissen und Können.
Vier Themen zu mechanischen Verbindungen im mehrgeschossigen Holzbau wurden in Weinfelden am 23./24. Oktober angegangen: Die Bemessung, die Bauteilanschlüsse, Bauprodukte und der Bereich Forschung und Entwicklung. Unter der Tagungsleitung von Christoph Starck, Direktor Lignum, referierten 16 Fachleute zu diesen grundlegenden Themen. Die rund 150 Teilnehmer des Fortbildungskurses erhielten so aktuelle und fundierte technische Informationen zum mehrgeschossigen Holzbau.
Grundlage 1 – revidierte Holzbaunorm SIA 265
Holzkonstruktionen für mehrgeschossige Bauten sind technisch anspruchsvoll. Die dabei auftretenden Kräfte bedingen mechanische Holzverbindungen, die berechenbar, praktisch ausführbar und dauerhaft wirksam sind. Bei der seit Januar 2012 gültigen revidierten Holzbaunorm SIA 265 sind denn auch die wesentlichsten Anpassungen im Kapitel 6 ‹Verbindungen› zu finden. Insbesondere betrifft dies Stabdübel, Bolzen, Nägel und Schrauben, also all das, was einen Holzbau in seinem Innersten zusammenhält.
Diese Anpassungen der Norm an den neuesten Stand der Technik sind für Ingenieure, Holzbauer und Produzenten mechanischer Verbindungsmittel fundamental. Sie wirken sich aber auch auf die Architektur aus. Die neuen technischen Möglichkeiten für Entwurf und Konstruktion mehrgeschossiger Holzbauten führen im Idealfall zu schlüssigen technischen Lösungen, welche gleichzeitig in eine überzeugende architektonische Gestaltung münden.
Grundlage 2 – Bauteilanschlüsse
Mehrgeschossige Holzbauten sind für Ingenieure und Unternehmen immer noch ein neues Arbeitsfeld. Nebst bauphysikalischen, haustechnischen und logistischen Problemen bilden besonders die erheblichen auftretenden Kräfte eine Herausforderung. Das betrifft nicht allein die Traglasten, welche die Fundamente belasten, sondern auch die Einwirkungen horizontaler Lasten wie z.B. die Auswirkungen von Wind auf die hohen und schlanken Wandscheiben solcher Bauten.
Die Verankerungen von Konstruktionen in Fundamenten sind so enormen Belastungen ausgesetzt und erfordern unvoreingenommene, unkonventionelle und damit innovative Problemlösungen von Seite Ingenieur und Holzbauunternehmen. Auch die aus der angestrebten architektonischen Wirkung gegebenen Forderungen bedingen eine präzise Analyse der statischen Gegebenheiten und Möglichkeiten. Formwillen und Technik verbinden sich so im Idealfall in ein untrennbares Ganzes.
Grundlage 3 – Bauprodukte
Ein wesentlicher Schlüssel zum erfolgreichen Konstruieren mit Holz sind die Bauprodukte aus Stahl, die Verbindungsmittel. Der Markt bietet mittlerweile eine Fülle von Produkten für die unterschiedlichsten Zwecke an. Die einschlägigen Normen sind den Planern wohlbekannt, die Wahl des jeweils für bestimmte Aufgaben geeigneten Verbindungsmittels fällt indessen nicht immer leicht.
Die auf den neuesten Stand gebrachten ‹Holzbautabellen› der Lignum (HBT) und die zugehörige aktuelle Beispielsammlung schaffen hier künftig mehr Klarheit als Kommunikationsmittel zwischen Normen und Planern.
Die jetzt online gestellten ‹Holzbautabellen 2› streben erneut die Verbindung zwischen Planer und Hersteller an. Sie sollen aktiv dazu beitragen, grossvolumige Holzbausysteme weiterzuentwickeln. Auch Verarbeiter und Handel haben Zugang zu diesen Informationen. Den Beteiligten ist klar, wovon die Rede ist – vereinfachter Informationsfluss führt letztlich zu effizienten Planungsprozessen. Händler und Hersteller, die sich mit Sachinformationen als Servicepartner der Planer verstehen, dürften im Markt die besten Karten haben.
Grundlage 4 – Forschung und Entwicklung
Die Holzbauweise erfährt periodisch Innovationsschübe. Die dafür verantwortlichen Auslöser sind mannigfaltig. Neue Holzprodukte in den Bereichen Platten oder Träger, weiterentwickelte Verbindungsmittel, Ultraschall- und Röntgentechnologie zur Qualitätsprüfung von Holzkonstruktionen sind technisch motivierte Ansätze.
Die neuerdings aus der architektonischen Gestaltung gegebenen Entwicklungen in Richtung Freiformen mit Holz verändern nicht allein die Wahrnehmung von Holzbauten, sondern führen auch zu neuen Herstellungs- und Bauprozessen. Forschung und Entwicklung tragen dazu bei, auch aus andern Bereichen stammende Technologien in den Holzbau zu übertragen.
Beispiele dieser Entwicklung stammen unter anderem aus dem IBOIS, dem Lehrstuhl für Holzkonstruktionen an der EPF Lausanne. Inspiriert von textilen Fügungsprinzipen, wurden dort Elemente aus zwei sich überkreuzenden Plattenstreifen entwickelt, Module, die in Kombination untereinander komplexe Tragwerke aus Holz generieren. Die vor wenigen Jahren am IBOIS entwickelten Origami-Strukturen mit Holz erfahren so eine Fortsetzung und lassen neue, bisher unbekannte Anwendungen von Holz in der Baupraxis erwarten.
Neue technische Standards für eine ökonomische Holzbauweise
Bei der Bauweise mit Holz, die grundsätzlich nicht monolithisch strukturiert ist, spielen die Verbindungen der Bauteile, Wandscheiben, Stützen, Fassaden und Fundamente eine buchstäblich tragende Rolle. Die technischen Ansprüche aus der Architektur bedingen oft erneute Erfindungen von Seite Ingenieur – eine Tatsache, die nach Meinung nicht weniger Teilnehmer am Anlass zu hinterfragen ist.
Es war indes nicht Aufgabe des SAH-Fortbildungskurses SAH 2012, dies anzustreben. Doch die Fülle der präsentierten technischen Lösungen legt entsprechende Fragen nahe. Möglicherweise wird eine spätere Ausgabe dieses Kurses auch der Frage nach standardisierten Detaillösungen im Holzbau nachgehen müssen. Solche Normdetails führen ja nicht zwingend zu langweilig gestalteten Bauwerken, sie sind vielmehr ein Schritt hin zu einer noch ökonomischeren Bauweise mit Holz.
Tagungsband zum 44. Fortbildungskurs 2012 der SAH
Mechanische Verbindungen im mehrschossigen Holzbau. Präsentationen und Referate
Mit zahlreichen Tabellen und Abbildungen (s/w). Format A4, 236 Seiten, broschiert.
Verkaufspreis CHF 80.– (CHF 64.–für SAH-Mitglieder)
Link www.holzforschung.ch