Spektakuläres Theaterbauprojekt auf dem Julier
Wenn es nach den Initianten des Julierprojekts von Origen geht, wird bereits ab diesem Sommer mehrere Jahre lang auf der Passhöhe in einem roten Holzturm Theater gespielt.
Visualisierung Origen, Riom
Auf dem 2284 m ü.M. hoch gelegenen Julierpass soll in den kommenden Monaten ein markanter temporärer Holzbau entstehen, der gemäss seinen Initianten das antike Theater zeitgenössisch deutet und das Wechselspiel von Naturzyklen und Menschenleben neu interpretiert. Bereits im Spätsommer dieses Jahres soll der Turm eröffnet werden. Im Herbst 2020, so der Plan, wird er wieder abgebaut.
Das Julier-Projekt will die historische und kulturelle Bedeutung des Passes neu in Szene setzen. Der Übergang zwischen Oberhalbstein und Engadin ist ein Ort, an dem sich Geschichte verdichtet. Die Römer haben ein Passheiligtum errichtet. Säulenstümpfe belegen eine Kultstätte, einen kleinen Tempel mit Kultfigur. Im Mittelalter stand eine Sebastianskapelle auf der Passhöhe. Tempel, Kapelle, später das Hospiz und Festungsbauten haben die Passhöhe markiert und mit Bedeutung aufgeladen.
Welttheater in den Alpen
Hinter der Idee des Theaterturms steht Origen, eine Kulturinstitution, die ihren Sitz im Bauerndorf Riom hat. ‹Origen› ist rätoromanisch und bedeutet ‹Ursprung›. Origen arbeitet mit archaischen Theaterformen und interpretiert sie neu, abseits der gängigen Formen städtischen Kulturlebens. Gründer von Origen ist der Theologe und Theatermann Giovanni Netzer.
Netzer möchte auf dem historischen Pass einen ‹babylonischen Theaterturm› erstellen. Babylon war, so erklärt er, eine Wiege der Zivilisation. Lange bevor die Griechen und Römer die Alte Welt prägten, entstand in Mesopotamien eine Hochkultur, die uns mit dem Mythos um den gescheiterten Turmbau zu Babel bis heute prägt. Der Turm soll im Anklang daran ein Haus für neues Welttheater sein, in dem Kultur und umgebende Natur zu einem einzigen Schauspiel verschmelzen.
Synthese des abendländischen Theaterbaus
Der Theaterturm auf dem Julier versteht sich als Synthese des griechischen Landschaftstheaters mit dem römischen Amphitheater, dem ‹Globe Theatre› der Shakespearezeit und dem barocken Logentheater. Die festlich-sakrale Aura des hohen Bauwerks soll auf die Ursprünge des Theaters im kultischen Spiel aufmerksam machen.
Aufführungen sollen sommers wie winters möglich sein und jeweils den Charakter der Jahreszeit aufnehmen. Angesichts der von Herbst bis Frühling doch teils recht garstigen Witterungsverhältnisse dürfte das allerdings zu einer Herausforderung werden.
Gemäss Entwurf erhebt sich der Turm über einem gleichmässigen Grundriss und verfügt über drei Säle mit unterschiedlichen Raumqualitäten. Die Zuschauerränge sollen die zentrale Spielfläche umfassen und den Blick des Besuchers immer auch hinaus in die grandiose Berglandschaft lenken. Energie- und Wasserversorgung sind möglichst autark angedacht. Von den Theaterbesuchern wird erwartet, dass sie mit dem öffentlichen Verkehr anreisen.
Baukosten noch nicht vollständig gedeckt
Die reinen Baukosten des Theaterturms belaufen sich gemäss Origen auf CHF 2,5 Mio. Die Initianten wollten eigentlich bis Ende Januar die Finanzierung geklärt und die Bewilligungsverfahren abgeschlossen haben, nachdem eine Vorprüfung durch die kantonalen Ämter positiv verlaufen sei. Allerdings sind sie noch nicht ganz soweit – zurzeit sind erst CHF 1,6 Mio. beisammen; CHF 900000.– gilt es noch zu beizubringen.
Schub gibt der Entscheid der Bündner Regierung von Mitte Februar, für das Julierprojekt einen Defizitbeitrag von maximal CHF 680000.– zu sprechen. Eine Anzahl Gesuche seien noch offen, um die erkleckliche ausstehende Summe noch zusammenzubringen, erklärt Miriam Diethelm von Origen auf Anfrage. Das Bewilligungsverfahren stehe vor dem Abschluss; mit der Baubewilligung werde in den nächsten Tagen gerechnet.
Link www.origen.ch