Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Hommage an Dimitri

Im Sommer letzten Jahres ist der grosse Clown Dimitri gestorben. Die Aktion #WOODVETIA setzt ihm ein Denkmal – in Form einer lebensechten Statue aus Schweizer Holz. Dimitris Ebenbild wurde gestern Dienstag in Ascona enthüllt.

Am 19. September wurde die #WOODVETIA-Statue von Dimitri in Ascona enthüllt, wo der grosse Clown aufgewachsen ist.
Bild Bruno Augsburger, Zürich, für #WOODVETIA
 

‹Sogni di un'altra vita› hiess das letzte Stück, in dem Dimitri mit 80 Jahren noch mit von der Partie war: Träume von einem anderen Leben. Es war ein Freilichttheater, gespielt auf dem Monte Verità, in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts Sammelplatz von Lebensreformern aller Couleur, von Freiluft- und Rohkostpredigern, Pazifisten, Anarchisten, Poeten, Spinnern in den Augen der bürgerlichen Welt, die sie mit ihrem Gesellschaftsexperiment auf dem Berg vor den Kopf stiessen.

 

Sie folgten dem Ruf des belgischen Kaufmanns Henri Oedenkoven, der 1900 zusammen mit der Pianistin Ida Hofmann im Tessin eine ‹vegetabilische Cooperative› begründet hatte. Man ackerte da im Adamskostüm zur Selbstversorgung, ernährte sich – zumindest solange der gestrenge Blick der Über-Ich-Figuren auf einem ruhte – konsequent vegetarisch und widmete sich ansonsten den Künsten in internationaler Gesellschaft grosser und weniger grosser Namen.

 

Freiheit, Selbstfindung, Selbstbestimmung war das Credo, das alle verband; wer sich an 1968, Flower Power und Woodstock erinnert fühlt, liegt nicht weit daneben – mit dem kleinen Unterschied, dass die Kommune vom Monte Verità keine Massenbewegung war, sondern im Kern ein weithin unverstandener Zirkel weltanschaulicher Exoten, wenn auch mit hohem Sex-Appeal für die Avantgarde.

 

Erinnerung an die seltsamen Gestalten vom Berg

 

Das Stück ‹Sogni di un'altra vita›, in dem Dimitri gleichsam seine Abschiedsvorstellung gab, liess den Traum von einem freien, erfüllten, naturnahen und kreativen Leben in einer idealen Gemeinschaft auf dem ‹Wahrheitsberg› noch einmal aufleben, an dem Ort, wo Dimitri aufgewachsen war: in Ascona. Der Monte Verità, vor seiner ideellen Aufladung ab 1900 übrigens einiges weniger dramatisch schlicht Monte Monescia genannt, liegt auf dem Gebiet der Gemeinde.

 

Die Fischer, Handwerker und Bauern des Dorfes Ascona schüttelten den Kopf über die seltsamen Gestalten auf dem Berg – Gestalten wie etwa den deutschen Naturapostel Karl Vester, den Bäcker der Kommune. Er hatte 1902 nach Ascona gefunden und blieb abgesehen von einem Abstecher nach Samoa lebenslang dort.

 

Dimitri spielte in ‹Sogni di un'altra vita› das Original, das als ‹letzter Monteveritaner› bis zu seinem Tod im Jahr 1963 im Dorf für Irritationen sorgte. Die Kunst und das Leben verschränken sich in diesem Schlussakt eines kreativen Lebens in unglaublich poetischer Weise zu einem herrlich schillernden Bild.

 

Mime, Akrobat und Clown in einem

 

Dimitri Jakob Müller, 1935 zur Welt gekommen in Winterthur, kam aus einer kreativen Familie: der Vater war Bildhauer, Architekt und Maler, die Mutter Handweberin und Kunsthandwerkerin. Bereits als kleiner Knirps nahm sich Dimitri vor, Clown zu werden. Zunächst absolvierte er jedoch das Gymnasium in Locarno. Den Entschluss aus der Kindheit setzte er parallel zur Entwicklung seiner schöpferischen Anlagen um: Während einer Töpferlehre in Bern bildete sich Dimitri zugleich in Theater, Musik, Ballett und Akrobatik. Es folgten Lehrjahre als Pantomime und Zirkusauftritte in Paris. 

 

Ab 1959 wagte Dimitri dann Soloauftritte, erst in Ascona, dann auf Tourneen durch die ganze Welt und an den wichtigsten internationalen Mimen- und Clownfestivals. Während dreier Saisons war er mit dem Circus Knie auf Tournee. Mit dem Alleinauftritt hatte Dimitri sein eigentliches Metier gefunden. Über die Jahre entwickelte er die Clownerie zum Gesamtkunstwerk, in dem er Facetten aus vielen Einzeldisziplinen vereinte.

 

Heiterkeit als Lebenshaltung

 

Dimitri war kein trauriger Clown. Seine Sache war die Heiterkeit, nicht die Melancholie, das Lachen lag ihm zuvorderst. 1971 gründete er mit seiner Frau Gunda in Verscio das Teatro Dimitri. 1975 folgte die Gründung der Theaterschule und 1978 diejenige der Compagnia Teatro Dimitri. Für die hauseigene Truppe kreierte er regelmässig neue Stücke. 2000 wurde dem Kulturzentrum in Verscio das von Harald Szeemann eingerichtete Museo Comico angegliedert, und 2010 kam die ‹Casa del Clown› dazu.

 

2006 trat Dimitri mit dreien seiner Kinder in ‹La Famiglia Dimitri› auf, das am Broadway ein Grosserfolg wurde. 2009 ehrte ihn der ‹SwissAward› für Kultur des Schweizer Fernsehens, 2013 folgte der ‹Swiss Lifetime Award› 2013 für sein Lebenswerk. Für Dimitri war das allerdings kein Abschied, sondern ein Anfang. Der Preis, sagte er damals in die Kameras, sei für ihn Ermunterung zu weiteren Fortschritten – er habe noch viele Pläne. Er bringe nun einmal die Leute fürs Leben gern zum Lachen.

 

Ebenbild in Schweizer Holz

 

Die Enthüllung von Dimitris #WOODVETIA-Figur fand am 19. September an der Seepromenade von Ascona statt. Entstanden ist die Statue aus einem etwa 50 Jahre alten Kirschbaum aus dem Tessin. Vor Ort waren gestern zur Einweihung der Figur Roland David, Vorsteher der kantonalen Forstverwaltung, der Tessiner Grossrat Henrik Bang als Vorstandsmitglied von WaldSchweiz, Dino Giordani, Vizepräsident von federlegno.ch, die Familie von Dimitri sowie Michela Ris, Gemeinderätin von Ascona und Chefin des Kulturdepartements.

 

Die Dimitri-Statue ist die 19. Figur einer Serie von 20 Persönlichkeiten, die der Zürcher Künstler Inigo Gheyselinck für die Aktion #WOODVETIA für mehr Schweizer Holz fertigt. Dimitris Ebenbild entstand aus einem Kirschbaum. Jede Statue wird aus einer anderen hiesigen Holzart geschnitzt. Das Ensemble aller 20 Figuren, das im November erstmals in Bern zu sehen sein wird, bietet deshalb nicht nur eine direkte Begegnung mit grossen Schweizerinnen und Schweizern, sondern auch mit der Vielfalt des Naturmaterials Holz aus unseren Wäldern.

 


Link www.woodvetia.ch