Pavillon of Reflections, Zürich, 2016
Installation im Zürcher Seebecken zur Kunstbiennale Manifesta 11, 11.6.–18.9.2016
Bauherrschaft: Manifesta 11, Christian Jankowski, Konzeption und Kurator; Thomas Engelbert, Bau- & Ausstellungsleitung
Architektur: ETH Zürich Studio Tom Emerson, Gesamtplanung und eigenhändige Konstruktion Holzbau (Studentenarbeit), Projektleitung: Adi Heusser und Boris Gusic
Rundholz aus Wald des Kantons Zürich
Holzbeschaffung und Einschnitt: Sägerei Konrad Keller AG, Unterstammheim
Holzbauingenieur: Holzbaubüro Reusser GmbH, Winterthur
Bild unten: Übergabe der Auszeichnung ‹Herkunftszeichen Schweizer Holz› am 29. Juni. V.l.n.r: Kantonsforstingenieur Konrad Noetzli, Holzbauingenieur und Lignum-Zürich-Präsident Hansbeat Reusser, ‹Manifesta›-Direktorin Hedwig Fijen, Sägereiunternehmer Martin Keller, ETH-Professor Tom Emerson und Peter Paul Kainrath, stellvertretender Direktor der Kunstbiennale.
Bilder Michael Meuter, Zürich
Zürich hat diesen Sommer etwas ganz Besonderes zu bieten: den ‹Pavillon of Reflections›, Flossbar, Badeanstalt und Kunstkino in einem, Aushängeschild der bis Mitte September dauernden Kunstbiennale ‹Manifesta›, vertäut im Seebecken gleich vor der Quaibrücke am Bellevue. Näher bei den Leuten kann Kunst, kann Architektur mit Holz im städtischen Raum kaum sein.
Die diesjährige ‹Manifesta›, unter dem Motto ‹What People Do for Money: Some Joint Ventures› vom deutschen Künstler Christian Jankowski kuratiert, sucht die Nähe zum urbanen Publikum: Sie stellt die Arbeits- und Lebensbedingungen in einer modernen Grossstadt wie Zürich ins Zentrum. Gezeigt werden an verschiedenen Orten in der Stadt insgesamt 250 Arbeiten von 130 Künstlern und Künstlerkollektiven. Auf dem ‹Pavillon of Reflections› wird das gesamte Projekt filmisch gespiegelt.
Holz-Kunstwerk aus dem Kollektiv
Dessen faszinierende Konstruktion aus 157 m3 Holz haben 30 ETH-Studenteninnen und -Studenten unter der Leitung des Studios Tom Emerson errichtet, fachkundig unterstützt von den Holzbauingenieuren des Holzbaubüros Reusser GmbH in Winterthur. Begeistert mitgemacht haben auch zwölf Lernende der Gewerblichen Berufsschule Wetzikon im Rahmen einer Projektwoche. Das für den Bau verwendete Käferholz spendierte der Kanton; aufgetrieben und eingeschnitten hat die benötigten 342 m3 Rundholz die Unterstammheimer Sägerei Konrad Keller AG.
Zur Weiterverarbeitung durch die Studenten wurde das Holz zur Geilinger AG in Winterthur geführt. Der Abbund schwieriger Teile erfolgte bei der Stefan Keller Holzbau AG in Unterstammheim. Auf der schwimmenden Pontonunterlage zusammengebaut wurde das Ganze nach der Vorfertigungsphase in Winterthur am Mythenquai auf der anderen Seite des Zürichsees. Drei Schleppboote zogen das fertige Floss dann gegen Ende Mai an einem Morgen in aller Herrgottsfrühe quer über den See zu seinem jetzigen Ankerplatz.
Holz-Architektur im Schaufenster
Mit dem von Touristen und Einheimischen begeistert fotografierten ‹Manifesta›-Floss sei die Stadt Zürich, sonst eher von architektonischem Mittelmass gezeichnet, ganz überraschend zu einem kleinen Schaustück gekommen, urteilte vergangene Woche der Architekturkritiker Roman Hollenstein in der ‹Neuen Zürcher Zeitung›.
‹Die aus Haus, Turm und Platz bestehende Anlage erfüllt ganz still und ohne Allüren viele Kriterien eines guten Bauwerks: Es überzeugt vom Konzept her, besitzt eine prägnante Form, ist innovativ hinsichtlich der Konstruktion, weist nachhaltige Eigenschaften auf, wirkt positiv auf den öffentlichen Raum, fördert den sozialen Austausch und verstärkt die Wahrnehmung des Orts.› Deshalb, so Hollenstein, wäre das Manifesta-Floss ein würdiger Kandidat für einen Zürcher Architekturpreis – bloss schade, dass es als temporärer Bau nicht an den Ausschreibungen zur Auszeichnung guter Bauten teilnehmen könne.
Um die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass der prächtige Temporärbau an schönster Lage sein Dasein unserem Wald verdankt, hat ihm die Lignum Zürich am Mittwoch vergangener Woche eine Auszeichnung mit dem Herkunftszeichen Schweizer Holz (HSH) verliehen. Sie gilt der Tatsache, dass das verbaute Holz zu 100% von Fichten stammt, die im Schweizer, ja sogar im Zürcher Wald gewachsen sind. Eine Plakette mit dem leuchtendroten HSH-Logo weist Besucherinnen und Besucher des Flosses darauf hin, wenn sie es betreten.
Begeisterung für Holz wecken
ETH-Professor Tom Emerson machte in einer Vielzahl von Bildern aus dem Werdegang des Projekts anschaulich, mit welchem Elan die Studenten aus der Lage des Flosses und baulichen Archetypen der europäischen Stadt gemeinsam die gestalterische Grundidee eines Platzes entwickelten, den urbane Elemente wie etwa der Turm umgeben und definieren, und mit welch beeindruckendem Eifer die jungen Leute bei der Sache waren, um die filigrane Holzkonstruktion nach der Planungsphase auch eigenhändig in das Bauwerk umzusetzen, das jetzt im Zürichsee vor Anker liegt.
Holzbauingenieur Hansbeat Reusser und Säger Martin Keller legten in ihren Ausführungen ebenfalls den Akzent darauf, welch prägenden Eindrücke die Auseinandersetzung mit dem Material Holz zum Aufbau des ‹Pavillon of Reflections› bei den engagierten Architekturstudierenden wie auch bei ihnen selber als ‹Geburtshelfer› des Projekts hinterlassen hat. Kein Zweifel: auch die Zürcherinnen und Zürcher werden sich nach dem Abbau des Flosses im Herbst noch lange an das filigrane Bauwerk erinnern, auf das alle Baubeteiligten stolz sein können.
Diesen Sommer nicht verpassen: ‹Pavillon of Reflections› in Zürich
11. Juni bis 18. September 2016
Am Bellevue/Utoquai, 8001 Zürich
Do–Di: 8–24 Uhr | Mi: 8–17 Uhr | Film-Screenings ab 11 Uhr
Der Einzeleintritt zum Pavillon kostet sechs Franken. Der Zugang ist aufgrund des limitierten Platzangebots nicht jederzeit gewährleistet.