Provisorium ‹Opéra des Nations›, Genf, 2016
Architektur, Entwurf für Paris: Alain-Charles Perrot und Florent Richard architects, Paris
Architektur, Erweiterung für Genf: Daniela Liengme architectes, Carouge
Holzkonstruktion: Jacques Anglade, Holzbauingenieur und Unternehmer, Port Vendres (F)
Bühnentechnik: Michel Fayet, Changement à Vue, Genf
Ingenieure: François Kocher, Le Collectif sàrl, ingénieurs civil, Carouge
Heizung/Klima/Lüftung: Martial Götz, Energestion SA, Carouge
Akustik: Christian Zufferey, Décibel Acoustique, Genf
Sicherheit/Umweltverträglichkeit: Eric Dubouloz, Ecoservices SA, Carouge
Oben: Von aussen zeigt sich das provisorische Genfer Opernhaus karg und gemahnt eher an eine Sporthalle denn an einen Musentempel. Mitte: Die Holzstruktur des provisorischen Opernhauses vor dem Innenausbau. Die Fachwerkträger bleiben sichtbar, Boden und Wände aus Schichtplatten erhalten Verkleidungen und Schallsegel. Unten: Alles im Provisorium für die Genfer Oper ist wie bei einem Industriebau auf Nützlichkeit hin angelegt. Das satte Rot der Sitze und des Bodenbelags sorgt dennoch für eine festliche Note.
Bilder Corinne Cuendet, Clarens (oben und unten) | GTG/Samuel Rubio (Mitte)
Zwei Jahre wird die Bauerneuerung des Stammhauses Grand Théâtre im Stadtzentrum Genfs dauern. Für zwei Spielsaisons muss also das Provisorium dienen. In Paris bot der Holzbau 750 Plätze. Für Genf wurde eine Vergrösserung um 360 Sitze gebaut, und auch ein neuer Orchestergraben und Künstlergarderoben waren notwendig. Dafür ist das Volumen nun 8 m breiter und um 12 m länger.
Auch die Option, in Genf ein neues Provisorium zu erstellen, wurde geprüft, aber verworfen, denn die Wiederverwendung des Holzbaus aus Paris erwies sich als günstiger. Mit 70 Fahrten von Tiefladern wurden die rund 1000 m3 Holz von Paris in die Calvinstadt transportiert. Der ‹Théâtre éphémère› genannte Holzbau stand seit Beginn 2012 im Hof der Gärten des Palais Royal und diente bis März 2013 als Spielstätte für 420 Aufführungen der Comédie Française, deren Theater Richelieu renoviert wurde.
300 Pfähle im Untergrund
Bedingung für die Errichtung der ‹Opéra des Nations› im Parc Rigot war, dass sie nach zweieinhalb Jahren komplett – ohne Spuren zu hinterlassen – wieder abzubauen ist. Dies ist durch die Modulbauweise und die ausschliessliche Verwendung von Holz inklusive der Fundamente gegeben. In Paris ruhte das Provisorium auf massiven Fundamenten. In Genf wurde aus zeitlichen und finanziellen Gründen darauf verzichtet. Um das Fundament zu bilden, wurden 300 Tannenstämme ins Erdreich gerammt.
Kauf, Abbau, Transport und Aufbau des Holztheaters inklusive Erweiterung um 400 Plätze und Orchestergraben führten zu Kosten von CHF 11,5 Mio. Etwa zwei Drittel der Kosten werden von privaten Sponsoren getragen. So wurden etwa Patenschaften von zwei- bis fünftausend Franken für die einzelnen Sitze ausgeschrieben. Ein öffentlicher Fonds des Genfer kantonalen Gemeindeverbandes deckt das letzte Drittel.
Barockspektakel zur Eröffnung
Mit nunmehr 1110 Plätzen verfügt das wegen der Nähe des Uno Sitzes ‹Opéra des Nations› genannte Provisorium über eine beachtliche Kapazität. Im Orchestergraben finden bis zu 70 Musikerinnen und Musiker Platz. Das Bühnenportal ist 7,5 m hoch und 14,7 m breit. Der Bau selber misst im Grundriss 35 x 75 m und ist 16,5 m hoch.
Am 15. Februar wurde mit der Premiere von G.F. Händels Zauberoper ‹Alcina› das Provisorium ‹Opéra des Nations› in Genf eröffnet, ein Barockspektakel, das bestens zur intimen Atmosphäre dieses Theaters auf Zeit passt, das den Spielstätten aus Holz des 16. und 17. Jahrhunderts nachempfunden ist.