Lignum Holzwirtschaft Schweiz

‹Flüssiges Holz› gewinnt Europäischen Erfinderpreis 2010

Die deutschen Forscher Jürgen Pfitzer und Helmut Nägele vom Fraunhofer Institut für Chemische Technologie (ICT) haben einen Kunststoff aus ‹flüssigem Holz› unter dem Namen ‹Arboform› erfunden. Das Material, das von der Fraunhofer-Ausgründung Tecnaro zu Formteilen verarbeitet wird, hat das Potential, fossile Brennstoffe einzusparen und natürliche Ressourcen zu schonen.

 

Eleganz auf verblüffender Basis

 

‹EcoPump›, designt 2009 von Sergio Rossi für Gucci, weist einen Absatz aus ‹Arboform› auf.

Bild fraunhofer.de | Sergio Rossi

 

 

 

Die Geschichte des ‹Flüssigholzes› begann 1992 in Rio de Janeiro. Dort nahmen Jürgen Pfitzer und Helmut Nägele zusammen mit Vertretern aus 172 Ländern an der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) – auch bekannt als ‹Erdgipfel› – teil. Beflügelt durch diese Veranstaltung, begannen Pfitzer und Nägele nach Werkstoffen zu suchen, welche die Welt ‹grüner› machen könnten. Am Fraunhofer ICT stiessen sie auf Lignin, eine im Holz vorkommende feste Substanz, die bei der Zellstoff- und Papierherstellung als Nebenprodukt anfällt.

 

Verbinden statt verbrennen

 

Ligninquellen gibt es reichlich. Lignin ist ein Beiprodukt der Zellstoffindustrie und fällt weltweit jährlich zu etwa 50 Mio. Tonnen an. In der Regel wird Lignin verfeuert oder zu Tierfutter und Zement weiterverarbeitet. Das ICT-Forschungsteam vermutete jedoch, dass dieser natürliche Rohstoff auch anderweitig genutzt werden könnte. Bald fand es heraus, dass Lignin in Verbindung mit Harzen, Flachs oder anderen Naturfasern eine Masse bildet, die sich wie jeder andere thermoplastische Werkstoff verarbeiten lässt.

 

Der so entstandene Biokunststoff ‹Arboform› kann durch Spritzgiessen in unterschiedlichste Formen gebracht werden. Er ist äusserst beständig und mit weitaus höherer Präzision formbar als herkömmliche Kunststoffe. Das wirklich Besondere an Flüssigholz aber ist, dass sich Arboform irgendwann – genau wie Holz – in die ökologisch unbedenklichen Bestandteile Wasser, Humus und CO2 zersetzt: ein klares Plus gegenüber den umweltschädlichen Rauchemissionen, die beim Verbrennen konventioneller Kunststoffe entstehen.

 

Auf dem Weg zum Markterfolg

 

1998 gründeten Pfitzer und Nägele auf Anraten des Fraunhofer-Instituts ein Spin-off-Unternehmen zur Vermarktung ihrer Erfindung. Die in Baden-Württemberg ansässige Firma Tecnaro beschäftigt inzwischen 14 Mitarbeiter und hat ihren Umsatz von 2005 bis 2009 verfünffacht. Helmut Nägele und Jürgen Pfitzer leiten Tecnaro als geschäftsführende Gesellschafter.

 

Die Nachfrage nach ‹Arboform› explodiert mittlerweile. Dass das Material aussieht wie Holz, sich aber in runde Formen giessen lässt, macht es für Innenraumdesigner in der Automobilindustrie interessant. Tecnaro arbeitet mit Porsche, Daimler und Fischer Automotive an geeigneten Anwendungen. Darüber hinaus wird das günstige Material zu Spielzeug, Möbeln, Uhrengehäusen, Designerlautsprechern – es hat holzähnliche akustische Eigenschaften –, biologisch abbaubaren Golftees und sogar zu Särgen verarbeitet. Allein 2009 hat Tecnaro 275 Tonnen Arboform hergestellt.

 

‹Arboform› besitzt keine Vorzugsrichtung der Faserorientierung und ist deshalb in alle Raumrichtungen gleichermassen belastbar. Diese Eigenschaft macht es zu einem simplen Konstruktionswerkstoff und lässt laut Tecnaro grosses Potential etwa für für verzugsfreie Bodenbeläge erkennen. Im Baubereich bietet sich der Werkstoff zudem gemäss Hersteller auch etwa für Platten, Parkett, Handläufe oder Fensterprofile an.

 

 

Link www.tecnaro.de/deutsch/arboform.htm?section=arboform