Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Effizient erdbebensicher bauen mit Holz

Ingenieure sollen über realistische Informationen zu den dynamischen Eigenschaften von Holzbauten verfügen, damit sie Massnahmen zur Erdbebensicherheit effizient umsetzen können. Die Berner Fachhochschule hat darum 2019 in Chamoson im Wallis zahlreiche baudynamische Messungen an einem vierstöckigen Holzrahmenbau durchgeführt. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts liegen nun vor.

Versuchsanlage der Berner Fachhochschule in Chamoson, 2019
Bild BFH

 

Urs Oberbach vom Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur IHTA leitete den etappenweisen Aufbau der Konstruktion und die dynamischen Tests, denen sie unterzogen wurde. Unter anderem wurde der Holzbau bei den Ausschwingversuchen mit Stahlseilen horizontal ausgelenkt und plötzlich losgelassen. Am Schluss wurde das Gebäude bei einem eindrücklichen Test zerstört (Lignum Journal online vom 4.11.2019).

Dynamische Eigenschaften sind im Erdbebeningenieurwesen von zentraler Bedeutung. Allerdings konnten sie bis anhin nur mit einer gewissen Unsicherheit bestimmt werden. Da die seismischen Kräfte vom dynamischen Verhalten des Tragwerks abhängen, befanden sich Ingenieurinnen und Ingenieure daher oft in einem Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Sicherheit.

Ziel des Forschungsprojekts war es, ihnen klare Angaben zu liefern, aufgrund deren sie realistische Aussagen über die dynamischen Eigenschaften von Holzrahmenbauten machen können. So können zukünftig beim Bau von Holzrahmengebäuden die Baumassnahmen zur Erdbebensicherheit effizienter umgesetzt werden.


Empfehlungen zu Steifigkeit, Grundschwingzeit und Dämpfung

Martin Geiser, Professor für Erdbebeningenieurwesen an der Berner Fachhochschule, ist mit den Ergebnissen des Forschungsprojekts zufrieden. ‹Die neu gewonnen Erkenntnisse erleichtern Holzbau- und Bauingenieuren in der Schweiz künftig die Arbeit›, sagt Geiser. So ist es nun möglich, mittels üblicher Methoden wie des Ersatzstabverfahrens eine realistische Steifigkeit von Holzrahmenwänden zu ermitteln.

Voraussetzung ist, dass die zur Berechnung eingegebenen Parameter korrekt sind. Für eine genauere Quantifizierung der Steifigkeitszunahme infolge dynamischer Beanspruchung bedarf es noch weiterer Untersuchungen. Die Forschungsergebnisse lassen jedoch hoffen, dass für grosse Amplituden zukünftig grössere Dämpfungsmasse verwendet werden können. Doch auch hier müssen die Resultate noch konsolidiert werden.

Nachdem das Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur IHTA sich mit den dynamischen Eigenschaften von Holzrahmenbauten befasst hat, nimmt es nun auch andere Konstruktionsarten in Angriff: die Brettsperrholzbauweise und das Blockhaus. Im Dynamic Test Center AG der BFH in Vauffelin wird ab Mai schrittweise ein Testgebäude für Brettsperrholzbauwerke bzw. für mit Brettsperrholz ausgesteifte Holzbauten errichtet. An etwa zehn historischen Blockhäusern wurden bereits Schwingungsmessungen durchgeführt.


Kurs ‹Erdbebengerechte Holzbauten› vermittelt die Grundlagen

Holz- und Bauingenieurinnen sind zunehmend gefordert, schon in der Planung relevante Aspekte der Erdbebensicherheit miteinzubeziehen. Der Kurs ‹Erdbebengerechte Holzbauten› bietet ihnen eine gezielte Weiterbildung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen die relevanten Normen, Ordnungen und Berechnungsverfahren kennen.

Ziel ist, dass sie diese anwenden können, um auch unregelmässige Holzbauwerke und solche mit Mischsystemen, zum Beispiel Holzrahmenbau kombiniert mit Brettsperrholz und Betonbauteilen, gemäss dem Antwortspektrumverfahren zu berechnen. Am 26. März 2021 konnten 20 Absolventen des Kurses ihre Projektarbeiten zum Thema ‹Erdbebengerechter Tragwerksentwurf› präsentieren. Der nächste Kurs startet im August 2022.


Link Fachartikel ‹Propriétés dynamiques des bâtiments à ossature bois› (PDF, 2 MB, französisch)