Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Der moderne Holzbau erweitert seine Möglichkeiten

Die S-WIN-Fachtagung ‹Von der Forschung zur Praxis› stellte am 7. Februar an der ETH Zürich neue Ansätze zur Konstruktion und Gestaltung von Holzbauten vor. Vorgespannte Bauteile, Bauteile aus Buchenholz oder mit Faserverstärkung eröffnen neue Chancen. Wesentlich sind auch das Tragverhalten und die Bemessung von Holzbauteilen hinsichtlich Erdbeben und Brand.

Ein sorgfältig gestalteter Tagungsband (Dokumentation SIA D 0265) von 84 Seiten ist bei Lignum greifbar (CHF 88.– bzw. CHF 69.– für Mitglieder von Lignum und S-WIN).
Link SIA-Dokumentationen im Lignum-Shop

 

 

Die S-WIN-Fachtagung ‹Von der Forschung zur Praxis› findet jährlich abwechselnd an der ETH Zürich und an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau statt. Prof. Andrea Frangi (ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion IBK, Professur für Holzbau) konnte an der diesjährigen Tagung an der ETH nicht weniger als 120 Teilnehmende zur Vorstellung und Diskussion der Erkenntnisse aus diversen Forschungsaktivitäten begrüssen.

 

Themen waren faserverstärktes Brettschichtholz und Brettschichtholz aus Buche, leistungsfähige Verbindungen, vorgespannte Holzrahmenkonstruktionen für mehrgeschossigen Bauten, Holzständer-Wandkonstruktionen und ihr Verhalten bei Erdbeben sowie Brettsperrholz und das neue Bemessungsmodell für Decken in bezug auf die Revision des Eurocodes 5.

 

Brettschichtholz mit Faserverstärkung

 

Über faserverstärktes Brettschichtholz, das sowohl widerstandsfähig ist als auch duktiles Verhalten zeigt, berichtete Lukas Blank (Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich). Es handelt sich um ein KTI-Forschungsprojekt der ETH Zürich gemeinsam mit der Firma Roth Burgdorf, um ein faserverstärktes Brettschichtholzprodukt zu entwickeln.

 

Einfach ausgedrückt werden BSH-Träger aus Fichte in der Biegezugzone mit Einlagen aus hochfesten Glas- oder Karbonfasern bewehrt. Dies erhöht die Tragwiderstände und schafft ein duktiles Tragverhalten.

 

In eine gefräste Vertiefung werden vorkonfektionierte Faserbänder ein- oder mehrlagig durch Nasslaminierung eingeklebt. Dabei kommt ein 1-K-Polyurethan-Klebstoff, wie er für die Brettschichtholz-Produktion verwendet wird, zum Einsatz. Mehrere Brettlamellen können so bewehrt werden, um die Zugzone weitgehend homogen zu verstärken.

 

Ausgezeichnete Tragfähigkeiten erreichbar

 

Im Zuge der Forschungsarbeiten wurde ein Modell zur Bestimmung des Biegewiderstands und des Verformungsvermögens von faserverstärktem Brettschichtholz erarbeitet. Das Modell berücksichtigt das Zusammenwirken von Holz und Bewehrung in Bereichen von Schwachstellen (z.B. Astgruppen) sowie Probleme in der Biegedruckzone.

 

Empirisch oder mechanisch nicht erklärbare Korrekturfaktoren und Beiwerte entfallen. Denn sämtliche Eigenschaften und Charakteristiken des Models wurden aus grundlegenden mechanischen Zusammenhängen hergeleitet.

 

Es hat sich gezeigt, dass mit durch Fasern verstärkten Brettschichtholz-Trägern sehr hohe Tragfähigkeiten zu erzielen sind. Dies bedingt eine ausreichende Faserbewehrung im Bereich des Biegezugs. Im Verbund mit einer Schubverstärkung der Träger kann auch ein duktiles Tragverhalten erzielt werden.

 

Den zweithäufigsten Schweizer Baum hochwertig nutzen

 

Wie Brettschichtholz aus Buche die Möglichkeiten des modernen Holzbaus erweitert, legte Thomas Ehrhart (IBK ETH Zürich und Empa Dübendorf) dar. Er skizzierte die Bedeutung der Buche als zweithäufigste Baumart im Schweizer Wald. Ihr Anteil am Gesamtholzvorrat macht 18% aus, der Anteil an Fichtenholz beläuft sich auf 44%.

 

Vermutlich wird sich der Anteil an Buchenholz im Zuge der Klimaveränderung noch erhöhen. Leider erbringt dieses Holz derzeit aber eine zu geringe Wertschöpfung. Dabei könnte die Buche mit ihren ausgezeichneten mechanischen Eigenschaften im Bausektor förmlich eine tragende Rolle spielen. Das bedeutendste Potential für den Einsatz von Brettschichtholz aus Buche wird für hochbelastete Stützen und Träger im Wohn-, Büro- und Industriebau geortet.

 

Brettschichtholz aus Buche wird grundsätzlich gleich hergestellt wie aus Nadelholz: Bretter aus eingesägten Stämmen werden getrocknet, festigkeitssortiert, keilgezinkt, gehobelt, flächenverklebt und letztlich abgebunden. Buche bedingt indes eine geringere Lamellenstärke (z.B. 25 mm) und eine Holzfeuchte, die bereits bei der Produktion annähernd der späteren Ausgleichsfeuchte entspricht (8 ± 2%).

 

Hochleistungsfähiges Material für das Bauwesen

 

Die Empa führte experimentelle Untersuchungen an Buchen-Brettschichtholz durch: Vierpunkt-Biegeversuche, Dreipunkt-Schubversuche, axiale Druck- und Knickversuche. Was der breiten Verwendung und einfachen Bemessung dieses Baustoffs noch im Wege steht, ist das Fehlen von Normen bezüglich Herstellung, Qualitätssicherung und mechanischer Eigenschaften.

 

Im Rahmen einer Forschungsarbeit wurde ein Beispielgebäude berechnet und verglichen. Als Varianten wurden Konstruktionen aus Nadelholz und Buche berechnet. Angenommen wurde ein Stützenraster von 7,00 x 4,00 m mit einer Stützenhöhe von 3,00 m – das Primärtragsystem als Zweifeldträger und Brettsperrholz-Platten als Deckenelemente.

 

Dabei zeigte sich: Brettschichtholz aus Buche würde gegenüber Nadelholz einen um 30% geringeren Trägerquerschnitt benötigen. Mit Stützen von 220 x 220 mm könnte mit Nadelholz ein dreigeschossiges Gebäude, mit Buche hingegen ein sechsgeschossiger Bau realisiert werden.

 

Verbindungen erschliessen erst Material-Mehrwert

 

Die Vorteile von Brettschichtholz aus Buche kommen dann zum Tragen, wenn entsprechend leistungsfähige Verbindungen eingesetzt werden. Steffen Franke und Bettina Franke (Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau, Biel) zeigten Resultate einer Forschungsarbeit auf, die Grundlagen zur Bemessung von Anschlüssen für die Marktimplementierung in der Schweiz erarbeitet hat.

 

Um hochleistungsfähige und duktile Anschlüsse für Konstruktionen aus Laubholz zu orten, wurden einige typische Konstruktionsarten untersucht: Einfeld-/Durchlaufträger, Rahmentragwerke, Fachwerk- und Pfosten-/Riegelkonstruktionen. In der Praxis erforderliche Verbindungen sind: Zug-/Druckanschluss (parallel zur Faser und unter Winkeln zur Faser); biegesteifer Anschluss/Momentenanschluss; Querkraftanschluss (verwiegend als Haupt-/Nebenträgeranschluss), Querzuganschluss und Querdruckanschluss inkl. Verstärkung.

 

Eine zweite Evaluierung mit Experten, Planern und Forschenden führte zu einer Priorisierung der Verbindungsmittel und  Verbindungen für Buchenholzkonstruktionen. Es sind dies: eingeklebte Gewindestangen, lange Schrauben (selbstbohrend bzw. vorgebohrt), kurze Schrauben (ohne Vorbohren, selbstbohrend) sowie Stabdübel/Passbolzen.

 

Buche für Stabdübel und Passbolzenanschlüsse

 

Vorgestellt wurden erste Ergebnisse für Anschlüsse mit Stabdübeln/Passbolzen und eingeklebten Gewindestangen. Es zeigte sich, dass Stabdübel und Passbolzenanschlüsse in Buchenholz ausgeführt werden können. Für die Praxis und vor allem um Vorschädigungen zu vermeiden, ist in Planung und Abbund eine Differenz von 0,1 mm einzuhalten.

 

Für die Ausführung von Anschlüssen mit eingeklebten Stäben/Gewindestangen ist eine Qualitätskontrolle zwingend (SIA 265: 2012 - 8.3.1). Noch zu regeln sind die Vorbereitungen und Ausführungen der Bohrlöcher, die Eignung des Klebstoffs und sein Verkleben/Injizieren für Stäbe und Gewindestangen in Buchenholz.

 

Die Bewertung der Tragfähigkeit derartiger Anschlüsse soll als ganzheitliches System betrachtet werden. Die endgültige Darlegung der vorhandenen Bemessungsmodelle bedingt aber weitere Prüfungen und eine ganzheitliche Analyse der Ergebnisse.

 

Holzrahmenkonstruktionen mit Vorspannung

 

Über vorgespannte Holzrahmenkonstruktionen und damit verbunden über Bemessungsgrundlagen für mehrgeschossigen Bauten referierte Jelena Ogrizovic (IBK ETH Zürich). Es wurde ein Konstruktionssystem mit vorgespannten Holzrahmen für den Einsatz in mittelgrossen Gebäuden entwickelt. Die optimale Leistung dieses Systems wurde durch eine halbstarre Verbindung mit eingeklebten Stahlstangen an den Stützenböden erreicht.

 

Das numerische Modell des Rahmens wurde anhand der Ergebnisse von Experimenten an einem zweigeschossigen Zweifachrahmen entwickelt, detailliert erklärt und validiert. Dies einschliesslich der hybriden Simulation einer Bodenbewegung. Daraus resultierten Empfehlungen für ein leistungsbasiertes Design. Beigezogen wurde ein praktisches Beispiel.

 

Halbsteife Verbindungen gegen Windkräfte

 

Die Ergebnisse der numerischen Untersuchungen und der statischen Berechnungsverfahren zeigen, dass der Entwurf häufig durch die innerhalb des Grenzzustands der Gebrauchstauglichkeit definierten Einschränkungen bestimmt wird. Der Einsatz der vorgespannten Holzrahmen mit gelenkigem Stützenfuss wird durch die grossen seitlichen Verschiebungen durch Windkräfte eingeschränkt.

 

Dieses Problem lässt sich durch die Implementierung von halbsteifen Verbindungen mit eingeklebten Stahlstäben an den Stützpunkten vermeiden. Die Analysen zeigten, dass Strukturkomponenten, die dauerhafte Schäden erleiden können, in Regionen mit geringer bis mittlerer Seismizität kaum negative Auswirkungen auf die Strukturleistung erleben.

 

Holzständerwände für Erdbeben bemessen

 

Die leistungsorientierte Bemessung von Holzständerwandkonstruktionen für den Erdbebenfall erläuterte Ljupko Peric (MWV Ingenieure, Baden). Mit der neuen Brandschutznorm 2015 wurde die Beschränkung der zulässigen Höhe von Holzbauten aufgehoben. Entsprechende Forschungsaktivitäten in zahlreichen Bereichen des allgemeinen Holzbaus betrafen auch die Frage nach der Anwendbarkeit klassischer Holzrahmenwände bei Holzbauten in europäischen Gebieten niedriger und moderater Seismizität.

 

Die Tragfähigkeit der Holzrahmenwände hängt von der Tragfähigkeit der einzelnen Verbindungsmittel ab. Jede Erdbebenbemessung sollte auf den mittleren Tragwiderständen der untersuchten Tragstrukturen und deren Verformungsvermögen beruhen – ein einfacher Grundsatz, der Ergebnisse von Erdbebenanalysen unabhängig von der verwendeten Bemessungsmethode ähnlich ausfallen lässt. Die Verhaltensgrenzen sind durch die Grössenordnung der Schlüsselparameter Periode, Duktilitätsbedarf, Verankerungskräfte, Beschädigungsgrad und relative Stockwerkverschiebung definiert.

 

Wie sich Brettsperrholz im Brandfall verhält

 

Für Bauprodukte wie Brettsperrholz oder Cross Laminated Timber ist eine effiziente ingenieurmässige Bemessung elementar. Dies führte Michael Klippel (IBK ETH Zürich) in seinem Referat zum Brettsperrholz im Brandfall in Zusammenhang mit dem neuen Eurocode 5 aus. Dabei ging es insbesondere um Deckenkonstruktionen und deren Verhalten im Brandfall.

 

Vor allem interessieren der durch eine Brandeinwirkung reduzierte Querschnitt und die damit eintretende verringerte Festigkeit und Steifigkeit. Bei der Markteinführung von Cross Laminated Timber CLT wurde davon ausgegangen, dass das Abbrandverhalten jenem von Massivholz ähnelt.

 

Brandversuche zeigten allerdings ein abweichendes Verhalten von CLT im Brandfall, denn ein Ablösen verkohlter Schichtteile und eine damit verbundene erhöhte Abbrandrate der weiteren Schichten sowie nachlassende Schutzwirkung wegen temporär fehlender Kohleschicht können zu einer geschwächten Tragfähigkeit führen.

 


Link www.s-win.ch