Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Brauchen deutsche Förster Nachhilfe in Waldökologie?

Das Magazin GEO aus dem Hause Gruner & Jahr entwickelt mit Förster und Autor Peter Wohlleben sowie Pierre Ibisch, Professor für ‹Nature Conservation› an der Hochschule Eberswalde, einen Studiengang ‹Ökologische Waldbewirtschaftung›. Haben die Forstfachleute in unserem nördlichen Nachbarland Bildungslücken in Sachen Ökologie? Die Hochschulen und Universitäten mit forstlichen Studienangeboten in Deutschland verwahren sich gemeinsam gegen diese Unterstellung.

Lernen deutsche Forstleute bloss Plantagenwirtschaft? Hochschulen und Fachwelt sagen klar nein.
Bild Landesforstverwaltung Baden-Württemberg/Noah Schneider
 

GEO und seine Partner verstehen den Studiengang als ‹konstruktive Alternative› zu bisherigen Ausbildungsgängen in diesem Gebiet. Sie wollen ihn mit dem Ziel ins Leben rufen, den Wald zur ‹lebenswerten Landschaft› zu entwickeln, die ‹nicht ausschliesslich nach ihrem Holzertrag› bewertet wird. Oder in der Formulierung des Konzeptpapiers, mit dem GEO auf mögliche Unterstützer zugeht: ‹Der Umgang mit Wäldern muss neu gedacht werden, sie müssen ganzheitlich als Ökosysteme verstanden und bewirtschaftet werden und nicht als Holzäcker.›


Ein Magazin mit einer Mission

Der Studiengang ist Teil einer Nachhaltigkeitsoffensive, die GEO Mitte Februar in eigener Sache gestartet hat. Doch Verbesserungen im eigenen Haus genügen dem Magazin nicht. ‹Wir wollen die mediale Instanz für Nachhaltigkeit in Deutschland werden›, erklärt GEO auf seiner Website ganz unbescheiden. Das drängt natürlich zum Wirken nach aussen. Und irgendwie scheint sich dabei der deutsche Wald als Aktionsfeld anzubieten, obwohl ja auch ganz andere denkbar wären: Energie, Verkehr, Konsum und vieles mehr.

Das bekannte Wissensmagazin ist derzeit mit möglichen Förderern im Gespräch, um sein Studiengang-Projekt mit Stiftungsprofessuren zum Fliegen zu bringen. Mehrere grosse Stiftungen hätten bereits ihr Interesse bekundet, es finanziell zu unterstützen und auch fachliche Kompetenz einzubringen. Früh schon habe sich die Umweltstiftung Greenpeace bereit erklärt, sich für den Studiengang zu engagieren, und auch bereits eine erste Stelle unter anderem für die Konzeption des neuen Curriculums ermöglicht.


Bekannte Galionsfiguren

Der Förster Peter Wohlleben ist der Fachwelt bekannt; der breiten Öffentlichkeit ist er mit seinem Buch und dem Film ‹Das geheime Leben der Bäume› zu einem Begriff geworden. Er äussert sich pointiert zum Stand der Dinge im deutschen Wald: ‹Dem Wald geht es schlecht. Doch die Antwort vieler Försterinnen und Förster ist ein 'Weiter so!' Kein Wunder, basiert doch die bisherige Ausbildung vor allem auf der klassischen Plantagenwirtschaft. Und so wechselt man höchstens die Baumarten, nicht aber das System. Echter Wald hat so kaum noch eine Chance.›

Der Biologe und Eberswalder Dozent Pierre Ibisch formuliert zurückhaltender: ‹Vor dem Hintergrund des Klimawandels kommen drängende Fragen auf uns zu, die bisher nicht ausreichend beantwortet werden können. Unsere Zeit ist geprägt durch Unsicherheit. Das ist eine grosse Herausforderung für die Wissenschaft, für die Forschung und auch die Lehre. Grund genug, die Ausbildung im waldbezogenen Bereich vielfältiger zu machen und eine Richtung anzubieten, in der der Wald als ein ganzheitliches Ökosystem betrachtet und behandelt wird.›


Gegen ideologische Scheuklappen

Die Hochschulen und Universitäten mit forstlichen Studienangeboten in Deutschland nehmen in einer gemeinsamen Erklärung Stellung zum im Raum stehenden Vorwurf, ihre Lehre beruhe nicht auf einem umfassenden Verständnis von Wäldern als komplexen Ökosystemen und beschränke sich auf Anleitungen zum Anlegen von ‹Holzäckern›. An allen fünf Hochschulen und vier Universitäten mit forstlichen Studienangeboten würden junge Leute darauf vorbereitet, eine nachhaltige, multifunktionale Waldwirtschaft umzusetzen, halten sie fest. Dabei spielten Waldökologie und Waldnaturschutz schon seit langem eine wichtige Rolle.

Ein forstliches Studium müsse allerdings möglichst breit angelegt sein und auf der Basis gesicherten Fachwissens ein möglichst vielfältiges Instrumentarium zur Lösung spezifischer Probleme und zur Erfüllung unterschiedlichster Anforderungen an den Wald vermitteln – ohne Richtungsvorgabe im Sinne einer ‹richtigen› oder ‹falschen› Zielsetzung. Zur Weiterentwicklung und Qualitätssicherung der Studiengänge würden verschiedenste Interessengruppen beigezogen. Aber: ‹Eine externe Einflussnahme auf diesen Prozess wie z. B. durch die Förderung von Stiftungsprofessuren, die mit der Auflage verbunden ist, einen neuen Studiengang einzurichten, und dessen inhaltliche Ausrichtung vorgibt, lehnen wir grundsätzlich ab.›


Kopfschütteln in der Forstwirtschaft

Branchenvertreter teilen diese Haltung. So unterstützt etwa der Deutsche Forstwirtschaftsrat DFWR die Erklärung der neun Hochschulen und Universitäten. ‹Wer behauptet, die forstakademische Ausbildung beschränke sich rein auf die Anlage von 'Holzäckern', ohne die ökologischen Aspekte mit zu berücksichtigen, der ist nicht auf dem aktuellen Stand›, betont DFWR-Präsident Georg Schirmbeck. Deutschland kenne im globalen Massstab höchste Standards und Anforderungen an die Waldbewirtschaftung. Die Ökologisierung der Waldbewirtschaftung habe unter anderem dazu beigetragen, dass alle Biodiversitätsindikatoren in Wäldern eine gute Entwicklung verzeichneten.

Der Umgang mit Unsicherheiten, die sich durch den Klimawandel ergäben, und den zum Teil widerstrebenden und steigenden Anforderungen der Gesellschaft an den Wald bedeute für die angehenden Forstleute von heute zu differenzieren, statt zu simplifizieren, so der DFWR weiter.

Die ‹Einflussnahme durch private Sponsoren, die populistische und nicht auf Fakten basierende Themen in die Wissenschaft hineintragen›, bewertet auch die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Waldeigentümer AGDW kritisch. ‹Der eindeutigen Erklärung der neun Hochschulen ist nichts hinzuzufügen – für Privatinteressen von Verlagen und deren Autoren sollte es dort keinen Raum geben.›


Links GEO | Stellungnahme der Hochschulen | www.dfwr.de | www.waldeigentuemer.de