Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Brandschutz neu gedacht – was 2026 auf uns zukommt

Im September startet die technische Vernehmlassung der neuen Brandschutzvorschriften 2026 – ein wichtiger Meilenstein für die Zukunft des Brandschutzes in der Schweiz. Isabel Engels von der Berner Fachhochschule leitet das Projektteam im Auftrag der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF. Im Interview spricht sie über den Wandel zur Risikoorientierung und darüber, was das für die Praxis bedeutet.

Isabel Engels
Bild BFH-AHB
Isabel Engels ist Dozentin für Brandschutz an der Berner Fachhochschule BFH. Als erfahrene Ingenieurin mit Schwerpunkt Holzbau engagiert sie sich in Forschung, Lehre und Weiterbildung für zeitgemässe und praxisnahe Sicherheitskonzepte. Seit 2019 ist sie Projektleiterin des Projektteams zur Erarbeitung der Schweizer Brandschutzvorschriften BSV 2026 im Auftrag der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF.
 


Frau Engels, warum braucht es eine Totalrevision der Brandschutzvorschriften?

Die aktuellen Vorschriften stammen im Kern aus dem Jahr 2005. Sie haben sich grundsätzlich bewährt, sind aber insgesamt immer noch zu wenig auf das tatsächliche Risiko ausgerichtet. Heute geht es darum, vorhandene Mittel gezielter einzusetzen: Sicherheitsmassnahmen sollen verhältnismässig bleiben. Das gilt grundsätzlich für den Umgang mit allen Gefahren wie Brand, Naturgefahren oder allgemein bei begrenzten Ressourcen.

Gleichzeitig haben sich die Rahmenbedingungen verändert: Die Komplexität heutiger Bauvorhaben nimmt zu, neue Technologien eröffnen andere Möglichkeiten, und gesellschaftliche Erwartungen – etwa an Barrierefreiheit oder das Bauen im Bestand – verlangen nach flexibleren, praxistauglichen Lösungen. Die Brandschutzvorschriften 2026 tragen diesen Entwicklungen Rechnung.


Was ist der zentrale Unterschied zur bisherigen Regelung?

Die Brandschutzvorschriften setzen bereits seit 2015 auf risikoorientierten Brandschutz. Diese Entwicklung wird in den Brandschutzvorschriften 2026 konsequent weiterverfolgt. Wir verabschieden uns vom Prinzip ‹Maximierung der Sicherheit›. Die ergriffenen Massnahmen sollen eine Antwort auf die konkrete Situation und Gefährdung geben.

Hier geht es zudem auch um Verhältnismässigkeit: Weg vom Prinzip ‹mehr ist mehr und sicherer› hin zu gezielten, risikobasierten Massnahmen. So kann das verfügbare Geld zur Risikoreduktion dort eingesetzt werden, wo es tatsächlich den grössten Sicherheitsnutzen bringt.


Warum ist das ein Gewinn?

Weil es der Realität gerecht wird. Das neue System ermöglicht massgeschneiderte Konzepte, die auf das tatsächliche Risiko abgestimmt sind – mit dem Anspruch, die Sicherheit zu gewährleisten, die von der Gesellschaft erwartet werden kann.


Wird Brandschutz jetzt komplizierter?

Diese Frage bekomme ich oft gestellt – und meine Antwort lautet: Es kommt darauf an, auf welchen Aspekt im Brandschutz sich dies bezieht. Wenige, starre Regeln in einem engen Rahmen wirken auf den ersten Blick einfach, führen in der Praxis aber oft zu Problemen, weil sie nicht auf jede Situation passen.

Ich würde sagen: Er wird differenzierter. Neben technischem Know-how gewinnt die Abstimmung zwischen Fachplanenden, Behörden und Nachweisführenden an Bedeutung. Das erfordert ein Umdenken, eröffnet aber auch neue Chancen für Qualität und Effizienz.

Ein Beispiel: Bei der Umnutzung bestehender Bauten waren Fluchtwege bislang oft schwer vorschriftskonform umzusetzen. Der aktuelle Entwurf der Brandschutzvorschriften 2026 sieht hier flexiblere Vorgaben vor – etwa grössere zulässige Fluchtweglängen. Das heisst: Man muss genauer hinschauen, aber man kann auch realitätsnahe Lösungen finden, wo vorher keine möglich waren.


Was bedeutet die technische Vernehmlassung im September 2025?

Das ist der Moment, in dem das Fachpublikum aus der Praxis die Entwürfe kommentieren kann. Für uns sind diese Rückmeldungen essenziell – denn gute Vorschriften entstehen im Dialog mit denen, die sie später anwenden müssen.


Wie bereitet man sich am besten auf die neuen Vorschriften vor?

Indem man sich mit dem Konzept der Risikoorientierung und dem Aufbau der neuen Vorschriften vertraut macht. Nicht alle müssen selbst leistungs- oder risikobasierte Nachweise führen – aber wer zum Beispiel als Fachplanerin oder Fachplaner beteiligt ist, sollte verstehen, worum es geht.

Dieses Verständnis hilft nicht nur bei komplexen Nachweisen, sondern auch im präskriptiven Bereich: Es unterstützt dabei, wirtschaftliche und objektbezogene Lösungen zu entwickeln – und bei Bedarf gezielt ergänzende Teilnachweise einzubinden. Dafür bieten wir praxisnahe Weiterbildung an – mit Inhalten, die sich schon heute im Alltag bewähren, etwa bei Bestandesbauten oder anspruchsvollen Nachweiskonzepten.


Was wünschen Sie sich für die Umsetzung der Brandschutzvorschriften 2026?

Ich wünsche mir, dass der Wandel nicht als Belastung, sondern als Chance verstanden wird. Die neuen Vorschriften bieten mehr Spielraum – und die Möglichkeit, Fachwissen gezielt einzusetzen, um bessere Lösungen zu finden. Dafür braucht es die Offenheit, dazuzulernen und gewohnte Denkmuster zu hinterfragen. Entscheidend ist, dass wir dabei nie aus den Augen verlieren, worum es im Kern geht: den wirksamen Schutz von Menschen und Gebäuden im Brandfall.


Interview BFH



Link VKF: Projekt BSV 2026