Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Berner Waldstadt Bremer ‹machbar›

Das Projekt ‹Waldstadt Bremer› sorgt in Bern seit Jahren für heisse Köpfe. Soll man eine Stadterweiterung in den Bremgartenwald zulassen und damit womöglich einen nationalen Präzedenzfall für Waldrodung zu Siedlungszwecken schaffen? Seit diesem Sommer ist die Diskussion um einen Zankapfel reicher: Eine umfangreiche Studie bezeichnet das Projekt als machbar.

 

Projekt Waldstadt Bremer in Bern

 

Was das umstrittene Projekt alles will: Berner Stadtwald auf einer Fläche von rund 43 ha für zentrumsnahes Wohnen umnutzen (rosarote Flächen in dunkelblauer Umgrenzung). Die Autobahn A1 überdecken (gelb). An städtische Infrastruktur andocken (orange). Das Länggassquartier aufwerten (hellblaue Pfeile). ÖV- Linien verlängern (rot). Ökologischen Ausgleich schaffen (grüne Pfeile und Punkte).

 

Grafik waldstadtbremer.ch

 


Nach jahrelangem Krebsgang strebt die Stadt Bern bis ins Jahr 2020 ein Bevölkerungswachstum von zehn Prozent an und will auf 140000 Einwohner wachsen. Dies bedeutet den Bau von rund 9000 neuen Wohnungen. Es bedeutet auch, dass die Kernstadt Bern in der Umsetzung dieser Politik überdurchschnittlich und stärker Raum greifen wird als die übrigen Gemeinden in der Region.

 

Die vom Bundesamt für Raumentwicklung ARE mitfinanzierte und begleitete Untersuchung, welche der Förderverein Waldstadt Bremer zusammen mit den Projektinitianten der Berner Architekten und Planergruppe Bauart im Sommer der Öffentlichkeit vorgestellt hat, versucht aufzuzeigen, dass das Vorhaben einer Waldstadt in diesem Kontext sowohl aus gesamtschweizerischer Perspektive als auch im Rahmen der regionalen Entwicklung der Hauptstadtregion sinnvoll und nachhaltig ist.

 

Am richtigen Ort bauen

 

Ausgangspunkt der Studienüberlegungen ist, dass gesamtschweizerisch heute genügend Baulandreserven vorhanden sind, um ausreichend Wohnraum für eine Bevölkerung zu schaffen, die bis ins Jahr 2020 nach allgemeiner Einschätzung weiter zunehmen wird. Allerdings befinden sich diese Reserven weitgehend in ländlichen Gebieten und damit am falschen Ort. Weil in der Vergangenheit in erster Linie dort gebaut wurde, gilt die Raumentwicklung in der Schweiz weiterhin als nicht nachhaltig. Das Ziel muss nach Überzeugung der Verfasser der Machbarkeitsstudie deshalb darin liegen, in Zukunft dort Entwicklungsraum zu schaffen, wo die Nachfrage nach Wohnraum am grössten ist.

 

‹Hier ist das Projekt Waldstadt Bremer modellhaft und kann einen Beitrag zur Trendwende leisten›, erklärte Nationalrätin Ursula Wyss im Juni als Präsidentin des Projekt-Fördervereins. In der Waldstadt Bremer sollen 6000 bis 8000 neue Einwohnerinnen und Einwohner auf einer Arealfläche von 428000 Quadratmetern im Norden der Bundesstadt attraktive Wohnmöglichkeiten finden.

 

Das Fazit der Studie ist auch für den Urbanisten Josef Estermann, ehemaliger Stadtpräsident von Zürich und Mitglied des Beirats Waldstadt Bremer, klar: ‹Wenn es bei einer Stadterweiterung darauf ankommt, dass sie einen möglichst kleinen ökologischen Fussabdruck hinterlässt, gibt es in der Region Bern kaum einen Standort, der es mit der Waldstadt Bremer aufnehmen könnte.›

 

Wald oder Wohnen?

 

Bloss: Zur Realisierung der Bremer-Idee müssten über 40 Hektaren Wald weichen. Das fragliche Waldstück liegt zwischen dem Ende des bestehenden Berner Länggassquartiers und der Autobahn A1, welche seit den siebziger Jahren den Bremgartenwald als lärmige Schneise durchtrennt. Die Frage, ob es möglich werden soll, Wald für Wohnbauzwecke zu roden, stellt neben der geplanten Autobahnüberdeckung die zentrale Herausforderung für die Realisierung des Projekts Waldstadt Bremer dar.

 

Für die Verfasser der Machbarkeitsstudie ist unbestritten, dass einem Präjudiz entgegengewirkt werden muss. Um dies zu verhindern, legen sie grössten Wert auf den konkreten Nachweis der Standtortgebundenheit und positionieren das Projekt als klar abgrenzbaren Einzelfall. Zudem werden Ersatzmassnahmen und Kompensationsmöglichkeiten vorgesehen.

 

So kommt Estermann, der sich intensiv mit der Frage der Waldrodung unter den aktuellen Bedingungen auseinandergesetzt hat, zum Schluss: ‹Nach den in Theorie, Praxis und Rechtsprechung entwickelten Kriterien erscheint eine Ausnahmebewilligung für eine Rodung aus wichtigen, objektiven und raumplanerischen Gründen zulässig.›

 

Entscheidung fällt an der Urne

 

Ob es soweit kommt, werden in der Stadt Bern wohl die Stimmbürger entscheiden. Sie werden vermutlich in rund fünf Jahren an der Urne über eine Umzonung und die notwendigen Planungsinstrumente für die Waldstadt Bremer bestimmen können. Ohne ihr klares Ja – auch dies  wird in der Machbarkeitsstudie deutlich – wird das in vielfacher Hinsicht Grenzen überschreitende Vorhaben nicht realisiert werden können.

 

Die Zeitschrift ‹Hochparterre› indessen hat sich bereits entschieden: ‹Die Waldstadt Bremer ist machbar. Knackpunkt bleibt das nationale Waldgesetz. Eine Ausnahme ist nötig›, schreibt ‹Hochparterre› in der aktuellen September-Ausgabe. Redaktorin Rahel Marti doppelt in einem Kommentar nach: ‹Der Vorwurf des Präjudizes ist schnell da und drohend. Entlarven wir ihn als Denkverbot! Wenn Luzern, Basel, Zürich in den nächsten Jahren zum Schluss kommen, auch bei ihnen sei ein Stück Wald der richtige Standort für eine Stadterweiterung – soll man es ihnen dann verbieten?›

 


Link www.waldstadtbremer.ch