Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Öffentliche Bauherrschaften geben Holz Schub

Ob Sportanlagen, Kindergärten, Schulen, Alterswohnungen oder -heime: Die öffentliche Hand baut für die Bedürfnisse aller Bürgerinnen und Bürger. Und dies nachweislich immer öfter mit Holz. Das macht Sinn und hat Potential.

Generationenhaus Bad Zurzach, 2019. Generalplaner/Architekten: Liechti Graf Zumsteg Architekten, Brugg; Holzbauingenieur: Makiol Wiederkehr, Beinwil am See; Holzbau/Fassadenbau: PM Mangold Holzbau, Ormalingen. Zugunsten ihrer Langlebigkeit ist die Fassade aus Weisstanne druckimprägniert (KDS chromfrei mit braunem Farbton). Das grosse Vordach trägt zu ihrem Schutz bei.
Bild Roland Bernath

 

Die Berner Fachhochschule trägt im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt laufend Zahlen zum stofflichen Einsatz von Holz in der Schweiz zusammen – das heisst für Bau, Möbel und Innenausbau, Aussenbereich, Verpackungen und Holzwaren. Für das Jahr 2017 hat sie einen Holz-Gesamtverbrauch von 3,33 Mio. m3 für diese Zwecke berechnet. Davon flossen 1,54 Mio. m3 in das Bauwesen – fast 8% mehr als 2012. Der Löwenanteil des Zuwachses steckt in Mehrfamilienhäusern und Gewerbebauten.


Grosser Sprung bei öffentlichen Bauten

Jetzt könnte man nicken und die Statistik schliessen. Aber wer weiterliest, stösst eine Ebene tiefer auf eine dicke Überraschung: Wenn man sich anschaut, welche Holzmengen 2017 in Bauten der öffentlichen Hand geflossen sind, so wird ein enormer Zuwachs gegenüber 2012 sichtbar. Der Materialverbrauch für diese 10% des Holzbau-Geschehens lag mit 152000 m3 2017 nämlich sage und schreibe drei Viertel höher als 2012. Was ist da geschehen?

Birgit Neubauer-Letsch, stellvertretende Leiterin der Höheren Fachschule Holz und Professorin für Marketing und Produktentwicklung an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel, arbeitet am Zahlenspiegel mit. Sie hat eine einfache und überzeugende Erklärung für den eklatanten Sprung, den die Holznutzung in diesem Bereich gemacht hat: ‹Die guten Argumente für Holz finden bei der öffentlichen Hand Gehör.› 


Schulbauten als wichtige Treiber

Welche Arten von Gebäuden aber führen zu diesem grossen Plus? ‹Aus meiner Sicht haben sehr viele Neubauten sowie An- und Umbauten von Kindergärten, Tagesschulen und Schulanlagen in unterschiedlichen Grössen zu diesem positiven Effekt bei den öffentlichen Bauten beigetragen›, sagt Neubauer-Letsch. Einen enormen Zuwachs von mehr als 70% habe es zwischen 2012 und 2017 bei Neubauten von grossen öffentlichen Gebäuden gegeben.

In der Kategorie der kleinen und mittleren öffentlichen Gebäude habe in den vergangenen Jahren dagegen der An- und Umbau eine immer grössere Rolle gespielt: ‹Dieses Segment hat sich seit 2012 von der Menge her mehr als verdoppelt und damit den Holzeinsatz für kleine und mittlere Neubauten 2017 überholt›, weiss die Fachfrau. 2018 habe der Neubau aber wieder deutlich zugelegt.


Positive Wahrnehmung bei der Bevölkerung

Öffentliche Bauherrschaften interessieren sich also zunehmend für Holz. Das bestätigt auch eine Umfrage bei 500 Immobilienverantwortlichen von Schweizer Kantonen, Städten und Gemeinden, welche die Vereinigung staatlicher und kommunaler Leiter Immobilien VSLI 2018 im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt durchgeführt hat. Sie würden den Rohstoff Holz bei öffentlichen Bauten sogar gern noch öfter einsetzen. Fast zwei Drittel haben gemäss Selbstauskunft bereits öffentliche Gebäude mit Holz realisiert; mehr als die Hälfte nennt dabei Schulbauten.

Eine wichtige Rolle spielen für die Befragten die ökologische Bauweise, die kürzere Bauzeit, das angenehme Raumklima und die positive Wahrnehmung bei der Bevölkerung. Die Erfahrungen mit Bau und Unterhalt sind mehrheitlich gut. Interessant ist, dass Gemeinden unter 10000 Einwohnern bereits eine Vielzahl von Holzbauten realisiert haben. Dagegen haben grössere Städte Nachholbedarf.


Holz aus hiesigen Wäldern bevorzugt

Etwas fällt bei der VSLI-Erhebung besonders auf: Auf die Frage, ob sie bei den realisierten Projekten Schweizer Holz verwendet hätten, antworten über 90% der Befragten mit einem Ja – und ein ebenso hoher Prozentsatz erklärt, man würde einen Teil der künftig geplanten öffentlichen Neu- und Umbauten gern mit hiesigem Holz umsetzen – wenn möglich sogar mit Holz aus dem eigenen Wald.

Das macht aus mehreren Gründen Sinn. Mehr als zwei Drittel des Schweizer Waldes gehören der öffentlichen Hand – vor allem Gemeinden, aber in kleinerem Masse auch den Kantonen und selbst dem Bund. Noch immer wird der nachwachsende Baustoff Holz in der Schweiz unternutzt, so dass der Wald überaltert.

Setzen öffentliche Bauherren beispielsweise ihr eigenes Holz als Vorleistung für ein Projekt ein, valorisieren sie ihr Eigentum im Sinne des Steuerzahlers und tun erst noch etwas zur Gesunderhaltung des Waldes. Sie sorgen mit der Ernte und Verarbeitung des Holzes in der Region aber auch für Wertschöpfung vor Ort: indem sie lokal unzähligen kleinen und mittleren Unternehmen Arbeit und Verdienst bringen. Damit unterstützen sie als Besteller die einheimische Wirtschaft – das ist jetzt erst recht willkommen, wo es die Corona-Krise zu bewältigen gilt.


Neues Beschaffungsrecht gibt Rückenwind

Dass öffentliche Bauherrschaften besonders seit dem ‹Frankenschock› offensichtlich vermehrt den Holz-Weg einschlagen, ist erfreulich. Öffentliche Bauherren sind als Besteller von Bauten natürlich nicht ganz frei, wenn sie hiesiges Holz einsetzen wollen. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, um die Weichen in diese Richtung zu stellen.

Das Wichtigste zur Ausschreibung von Bauten mit Schweizer Holz hält die Broschüre ‹Entwerfen und Planen mit regionalem Holz› fest. Das Booklet kann bei der Lignum bestellt werden; ausführliche Informationen bietet die Website www.holz-bois-legno.ch.


Handhabe für Kantone und Gemeinden

Das neue Beschaffungsrecht des Bundes stärkt fortan Kantonen und Gemeinden den Rücken, wenn sie den Mehrwert unseres hiesigen Holzes in die Waagschale legen. Es tritt 2021 in Kraft und läutet einen echten Paradigmenwechsel ein, indem künftig nicht mehr einfach nur das günstigste Angebot zählen soll, sondern auch die Leistungen der Anbieter hinsichtlich Qualität und Nachhaltigkeit.

Mit der Anpassung der kantonalen Gesetze wird das neue Regime hoffentlich bald auch in den weiteren Ebenen des Gemeinwesens bis hin zur Gemeinde zugunsten von Holz wirken können. Dies um so mehr, als der Bund mit dem seit 2017 geltenden Waldgesetz über den Auftrag verfügt, Absatz und Verwertung von nachhaltig produziertem Holz zu unterstützen. Auch das entfaltet Vorbildwirkung in Kanton und Gemeinde.


Gebaute Inspiration: Generationenhaus Bad Zurzach

Doch was mehr bewegt als jedes Gesetz, ist immer das gelungene Beispiel, das zur Nachahmung einlädt. Etwa das Generationenhaus, das die Brugger Architekten Liechti Graf Zumsteg für die Gemeinde Bad Zurzach und die Emil-Burkhardt-Stiftung als Bauherrschaft realisiert haben. Es liegt direkt gegenüber dem Verena-Münster und damit im Zentrum des Fleckens. Hervorgegangen ist der Bau aus einem Wettbewerb. Geplant wurde ab 2014; der Bezug erfolgte im Herbst 2019.

Das Bauprogramm des 50-Millionen-Projekts umfasste drei Pflegeabteilungen mit 72 Pflegebetten, einen geschützten Demenzbereich mit weiteren 24 Betten und zwölf Wohnungen mit Service, dazu ein Restaurant und ein Parkhaus. Aber auch – und hier wird es spannend – eine Kita mit 36 Plätzen. 

Denn die Bauherrschaft wollte schon in der Anlage des Projekts eine Verbindung zwischen Alt und Jung schaffen – beim gemeinsamen Mittagessen, aber auch bei Aktivitäten wie Singen, Turnen oder Theateraufführungen. Und sie will, dass das Generationenhaus durchlässig ist für die ganze Gemeinde. So ist es erwünscht, dass Vereine und Unternehmen den Mehrzwecksaal oder das Bistro nutzen. 


Auftritt mit feingliedriger Holzfassade

Mit seiner feingliedrigen, durch Simse, Lisenen und Vordächer strukturierten Holzfassade – das Holz ist druckimprägniert und damit gut geschützt – erscheint das Generationenhaus als ‹Haus im Park› und unterscheidet sich von den verputzten, städtisch wirkenden Handelshäusern.

In deren Höfen finden sich hölzerne, mit gesägten Lochmustern ornamentierte Laubengänge – ein Motiv, das die Fassade des Generationenhauses wieder aufgreift. Im Innern bieten differenziert gestaltete Räume den betagten Bewohnern eine reichhaltige und wohnliche Welt. Warme Holztöne herrschen dabei vor.


Links Fachberatung Lignum | Lignum-Holzbulletin 134/2020 ‹Öffentliche Bauten› online ansehen