Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Innovationen im Brandschutz fördern Holz am Bau

Empa-Wissenschaftler haben einen Dämmstoff aus Altpapier entwickelt, der sich für vorfabrizierte Holzbauelemente auch in mehrgeschossigen Bauten eignet und die Konstruktion wirksam vor Feuer schützt. Ausserdem stellen sie ein neues Flammschutzmittel für Holzwerkstoffe vor.

Know-how für die Industrie: Franziska Grüneberger und Willi Senn haben an der Empa ein neues Bindeverfahren entwickelt, welches Altpapier als Dämmstoff deutlich feuerfester macht als bisher. Hier befinden sich die beiden Forscher im Brandlabor, in dem die entscheidenden Versuche stattfanden.
Bild Empa

 

 

Franziska Grüneberger hält einen unscheinbaren Würfel aus grauen Flocken in der Hand; sie sieht zufrieden aus. Das Ziel ihrer Forschungsarbeit ist erreicht: In dem Würfel steckt sehr wenig Chemie, aber um so mehr technisches Knowhow. Der Würfel beweist, dass sich riesige Berge von Altpapier in ein wertvolles und feuerfestes Dämmmaterial verwandeln lassen – ein Schlüssel zur Einsparung fossiler Brennstoffe. Das alles sieht man dem kleinen Würfel nicht an.

 

Entscheidend ist, was der Altpapier-Faserwürfel nicht macht: zerbröseln. Genau diese Eigenschaft ist wichtig, um tragende Elemente von Holzhäusern lange vor Feuer zu schützen. Genau diese Festigkeit ist jedoch auch in der industriellen Herstellung von Dämmstoffschichten schwer zu erreichen.

 

‹Wir haben es hier nicht mit Dämmstoffmatten zu tun, die von Arbeitern zugeschnitten und ins Bauteil eingepasst werden müssen›, erläutert die Forscherin. ‹Die Altpapier-Fasern werden vielmehr automatisch in einen Hohlraum eingeblasen, bis er ganz gefüllt ist.›

 

Binden in Sekundenschnelle

 

Das Einblasen soll aus Kostengründen möglichst leicht und schnell erfolgen, deshalb müssen die Fasern in diesem Moment gut fliessen. Sobald sie jedoch im Hohlraum sind, sollen sie formstabil bleiben. So kann die Konstruktion bei Bränden geschützt werden. Am Ende soll die maschinell eingeblasene Dämmung so fest und formatfüllend im Bauteil sitzen wie eine von Menschenhand eingepasste Dämmplatte. Nur so kann sie die Hitze eines Feuers lange genug zurückhalten und einen vorzeitigen Abbrand der Konstruktion verhindern.

 

Die Aufgabe ist nicht ganz leicht: ‹Wir haben für die bereits am Markt etablierten Zellulosefasern nach einem geradezu magischen Bindemittel suchen müssen – nach einem Stoff, der möglichst von einer Sekunde auf die nächste wirkt›, sagt Grüneberger. Für den Einsatz im Holzbau sollte das Bindemittel nachweislich ungiftig sein. Ausserdem musste es günstig und in grossen Mengen verfügbar sein.

 

In Frage kamen damit Hilfsstoffe aus der Textil-, Papier-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie – oder Substanzen aus der Natur. Am Ende passte alles bei einer Substanz aus der Lebensmittelindustrie. Laborversuche zeigten auch im Brandfall eine zuverlässige Verbindung des Zelluloseflockengefüges.

 

Upscaling und Brandversuch

 

Doch würde das auch im Grossmassstab in einer Produktionshalle gelingen? Ein Upscaling-Versuch brachte den Beweis: Die Flocken wurden in mehrere Test-Holzrahmen eingeblasen. Daneben ein identischer Hohlraum mit Flocken ohne den neuartigen Zuschlagstoff, im herkömmlichen Verfahren eingebracht. Nun ging es ins Brandlabor der VKF ZIP AG.

 

Dort wurde der Holzrahmen eine Stunde lang einer 800 bis 1000 Grad heissen Flamme ausgesetzt. Der Holzrahmen durfte an keiner Stelle durchbrennen, und es durften auch keine glühenden Flocken herausfallen. Die neue Isolierung hielt dem Test stand und schützte die Konstruktion zuverlässig, während die Flocken ohne Zuschlagstoff durch die fehlende Verklebung aus dem Holzrahmen herausfielen.

 

Der finale Entwicklungsschritt geschieht nun beim Industriepartner Isofloc AG in Bütschwil. Dort müssen die Maschinentechniker und Ingenieure aus dem bestehenden Prototyp eine neue Generation von Einblasmaschinen entwickeln, welche die Anforderungen an Reproduzierbarkeit und Qualitätskontrolle erfüllen. In einem Jahr, so schätzt man bei Isofloc, kann die neue Dämmung zusammen mit den passenden Einblasmaschinen auf den Markt kommen.

 

Flammschutzmittel für Holzwerkstoffe

 

Einen zweiten aktuellen Forschungserfolg der Empa im Bereich Brandsicherheit stellt ein neues Flammschutzmittel für Holzwerkstoffe dar. Das Mittel mit dem Produktnamen AFA (Anti-Flame-Additive) ist farblos, lässt sich mit wasserbasierten Lacken oder UV-Schutzlacken mischen und ist nicht nur als Lackschicht, sondern auch als Additiv in Holzwerkstoffplatten einsetzbar. Zudem ist es frei von Brom und Bor, enthält keine halogenierten organischen Verbindungen. Es erzeugt keine giftigen Ausdünstungen und entfaltet bereits ab einer Konzentration von 10% seine flammhemmende Wirkung.

 

AFA basiert auf der von der Empa entwickelten Substanz EDA-bis-TEPT, einem Flammschutzmittel aus der Klasse der Organophosphonate. Es kombiniert Phosphor- und Stickstoffanteile in einem einzigen Molekül und hat flammhemmende Auswirkungen auf Zellulose. Das neue entwickelte Additiv hat in internen Tests bereits seine Wirksamkeit gezeigt und ist seit 2018 mit einer Patentanmeldung geschützt. Erste Tests mit grossen Plattenherstellern sind positiv verlaufen, ebenso mit dem weltweit drittgrössten Hersteller von Schichtstoffplatten.

 

Derzeit werden Anwendungstests durchgeführt; so wird zum Beispiel die Beimischung von AFA zu verschiedenen marktüblichen Baustoffen und Lacksystemen erprobt. Nachdem das AFA bei der Herstellung in die Zelluose eingebracht worden ist, wird ein Entflammen des Werkstoffs zuverlässig verhindert. In einem weiteren Schritt wird AFA die für eine Zulassung nötigen Brandschutz- und Zulassungstests durchlaufen. Forschungspartner der Empa ist bei diesem Projekt die Bruag Fire Protection AG, eine Schwesterfirma der Bruag AG mit Sitz in Güttingen TG.

 


Link www.empa.ch