Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Henry Dunant, Gründer des Roten Kreuzes

Die humanitäre Tradition der Schweiz wurzelt im persönlichen Engagement von Menschen wie Henry Dunant, dem geistigen Vater des Roten Kreuzes. Er erlebte als junger Mann die blutige Realität des Krieges mit eigenen Augen – und widmete nach dieser Erschütterung sein Leben der Sorge für Verwundete. #WOODVETIA ehrt den grossen Genfer mit einer Statue in Ahorn.

Henry Dunant
Holzart: Ahorn
Wo in der Schweiz der Bergahorn wächst
Bild Michael Meuter, Zürich

 

 

Begegnen Sie in der Sommerzeit zwanzig Menschen, die aus ganz besonderem Holz geschnitzt sind. Die diesjährige Lignum-Sommerserie stellt die grossen Schweizer Persönlichkeiten aus Geschichte und Gegenwart vor, welche der Zürcher Künstler Inigo Gheyselinck für die Aktion #WOODVETIA für mehr Schweizer Holz geschaffen hat. Alle Kunstwerke sind derzeit an der 7. Triennale der Skulptur in Bad Ragaz zu sehen.

 

 

Bei der kleinen italienischen Ortschaft Solferino, einige Kilometer südlich des Gardasees, wurde am 24. Juni 1859 eine äusserst blutige Schlacht geschlagen. Sie entschied den Krieg zwischen Österreich und Piemont-Sardinien und dessen Verbündeten Frankreich. Österreich erlitt eine Niederlage und musste in der Folge die Lombardei abtreten. Auch in der Toskana verloren Habsburger ihre Besitzungen. Das ebnete den Weg für die Einigung Italiens.

 

Das war den Zeitgenossen Ergebnis genug. Doch aus heutiger Warte scheint wichtiger, was die Schlacht in einem jungen, philanthropisch und christlich geprägten Mann auslöste, der sich eigentlich mehr aus Zufall ebenda aufhielt, wo Abertausende ihr Leben im Kampf liessen – und Tausende in den Tagen danach, weil die Versorgung der Verwundeten völlig ungenügend war.

 

Der 31 Jahre alte Henry Dunant war als Handelsreisender in Italien unterwegs, um dem französischen Machthaber Napoléon III. Geschäftspläne in Algerien zu unterbreiten. Er hoffte auf direkte Unterstützung von höchster Stelle dafür. Stattdessen geriet Dunant Ende Juni 1859 in Solferino in eine unmittelbare Anschauung der Hölle auf Erden.

 

Helfen ohne Ansehen der Person

 

‹Die ersten Sonnenstrahlen des 25. [Juni] beleuchteten eines der furchtbarsten Schauspiele, das sich dem Auge darzubieten vermag. Überall war das Schlachtfeld mit Menschen- und Pferdeleichen bedeckt; auf den Strassen, in den Gräben, Bächen, Gebüschen, auf den Wiesen, überall lagen Tote umher, und die Umgebung von Solferino war im wahren Sinne des Wortes damit übersät.›

 

So hielt es Dunant später in seinem Buch ‹Un souvenir de Solférino› fest, das nach seiner Rückkehr nach Genf 1862 zunächst in französischer Sprache erschien (deutsch 1863). Zurück blieben nach der Schlacht unzählige Verwundete, die mehr oder minder sich selber überlassen blieben und starben wie die Fliegen, weil es an allem fehlte.

 

Dunant ging nicht bloss als späterer Chronist des grausamen Spektakels vom Platz. Unter dem Eindruck dessen, was er sah, organisierte er spontan Hilfe unter der Bevölkerung der umliegenden Gemeinden – und machte mit seinem Beispiel Schule, allen zu helfen, die Hilfe nötig hatten, ohne Rücksicht darauf, welche Uniform sie trugen.

 

Auf dem Weg zum Roten Kreuz

 

Doch hier unter persönlichem Einsatz Not zu lindern, das war Dunant klar, war angesichts der Allgegenwärtigkeit des Krieges zu wenig. Es musste etwas geschehen, was dessen Grauen möglichst überall eindämmen half, wo die Waffen sprachen.

 

Hilfsgesellschaften für Verwundete müsste man aufbauen, dachte sich Dunant, und zwar in jedem Land. Und es sollte deren Personal in jedem Krieg möglich sein, als Neutrale Verletzte ungehindert zu versorgen. Den Vorschlag zur Gründung von Hilfsgesellschaften verbreitete sein Buch über das Mahnmal Solferino, das, in viele Sprachen übersetzt, bald europaweit gelesen wurde.

 

1863 kam es in Genf zur Bildung eines Komitees der Hilfsgesellschaften für Verwundetenpflege. Fünf Persönlichkeiten gehörten ihm an, darunter Dunant sowie General Dufour, der es präsidierte. Ein Jahr später fasste Dunants Idee international Fuss: 1864 wurde, wiederum  in Genf, die erste internationale Konvention des Roten Kreuzes von 16 Ländern unterzeichnet.

 

Der Idealist und das Leben

 

Sein humanitäres Projet absorbierte Dunant indessen derart, dass er seine Geschäfte in Algerien vernachlässigte. Daraus entstanden seinen Auftrag- und Geldgebern grosse Verluste; Dunant selber musste Konkurs anmelden. Das beschädigte seinen Ruf in Genf schwer, womit er auch seiner führenden Rolle im Roten Kreuz verlustig ging. Dunant verliess seine Vaterstadt – noch bevor ihn das Genfer Handelsgericht 1868 wegen betrügerischen Konkurses verurteilte.

 

Es folgten Jahre in Paris, in denen sich Dunant weiter für seine Ideen engagierte, jedoch auch immer weiter verschuldete. Stuttgart, Rom, Basel, London waren spätere Stationen eines zunehmend von Entbehrungen geprägten Lebens. Vollständig verarmt, kam Dunant ab 1887 in Heiden in Appenzell Ausserrhoden unter, wo er als Unbekannter und Vergessener seine Memoiren schrieb.

 

Erst 1895 machte ein Journalist aus St. Gallen Dunant in Heiden ausfindig und sorgte mit einem in ganz Europa wahrgenommenen Artikel dafür, dass die Welt den geistigen Vater des Roten Kreuzes wiederentdeckte. 1901, neun Jahre vor seinem Tod, wurde ihm zusammen mit dem französischen Pazifisten Frédéric Passy der allererste Friedensnobelpreis verliehen.

 


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