Lignum Holzwirtschaft Schweiz

Fassaden-Solarkraftwerk als neue Unit im NEST

Das Labor für Sonnenenergie und Bauphysik der ETH Lausanne sucht nach Wegen, um eine möglichst hohe Energiegewinnung an der Gebäudehülle mit Komfort im Innenraum zu verbinden. Wie sich beide Bedürfnisse unter einen Hut bringen lassen, zeigt ‹SolAce›, die neuste Unit im Forschungs- und Innovationsgebäude NEST auf dem Empa-Campus.

Technologie-Test in bewohnter Umgebung
Oben: Aussenansicht der neuen Einheit ‹SolAce› mit blaugrüner Fassade. Unten: Innenansicht. Wie im NEST üblich, wird auch die Unit ‹SolAce› real genutzt und bewohnt. In einer ersten Phase halten sich hauptsächlich EPFL-Forschende in den Räumen auf, um die installierten Systeme und Technologien zu überwachen und an die Gegebenheiten anzupassen. ‹Danach werden wir die Unit als Wohn- und Arbeitsumgebung für Gäste der Empa nutzen›, sagt Rico Marchesi, Innovationsmanager im NEST.
Bilder Roman Keller (oben) | Gian Vaitl (unten)

 

 

Ähnlich einem Schmetterlingsflügel schimmert die blaugrüne Fassade der NEST-Unit ‹SolAce› im Sonnenlicht. Am 24. September wurde der neueste temporäre Gebäudeteil des Forschungs- und Innovationsgebäudes der Empa und Eawag in Dübendorf offiziell eröffnet. Es handelt sich um kombinierte Wohn- und Arbeitsräume auf knapp 100 m2 – eingebaut auf der Südseite von NEST zwischen der zweiten und dritten Betonplattform, die zum Kern des setzkastenähnlichen Gebäudes gehören.

 

‹‘SolAce‘ soll über die Fassade mehr Energie produzieren, als die Unit im Jahresverlauf braucht, und gleichzeitig den Benutzerinnen und Benutzern höchsten Komfort zur Verfügung stellen›, erklärt Jean-Louis Scartezzini die Zielvorgabe. Der Forscher ist Direktor des Labors für Sonnenenergie und Bauphysik an der ETH Lausanne (EPFL); von ihm stammt die Idee zur neusten NEST-Unit.

 

Zur Erreichung der genannten Ziele vereinen die Forscher mehrere aktive und passive Fassadenelemente, deren Technologien aus dem Labor in Lausanne hervorgegangen sind. Einige dieser Technologien sind mittlerweile über Start-ups und durch Kooperationen mit Wirtschaftspartnern kurz vor der Kommerzialisierung, bei einigen dauert der Weg noch etwas länger.

 

Solarstrom und Warmwasser aus der Fassade

 

Die positive Energiebilanz der Unit soll durch die Produktion von Solarstrom und Warmwasser direkt an der Fassade erreicht werden. Dazu kommen Fotovoltaikmodule sowie solarthermische Kollektoren mit einer neuartigen farbigen Verglasung auf der Basis von Nanotechnologie zum Einsatz. 
Mit dem Ziel, die Integration von Fotovoltaikanlagen in die Gebäudehülle zu fördern, indem über verschiedene Farben eine grössere architektonische Freiheit geboten wird, forscht ein Team an der EPFL seit fast 20 Jahren an farbgebenden Beschichtungen.

 

Den Wissenschaftlern unter der Leitung von Andreas Schüler war klar, dass eine Beschichtung nur möglichst geringe Energieverluste verursachen darf. Absorbierende Farbpigmente kamen nicht in Frage. Statt dessen rufen nun Nano-Dünnschichten mit einer Dicke von 5–200 nm auf der Innenseite Interferenz-Farbeffekte hervor. ‹Da die Nano-Beschichtung sehr transparent ist, entstehen praktisch keine Absorptionseffekte und nur sehr geringe Energieeinbussen›, erklärt Schüler. Diese inzwischen patentierte Technologie wird zurzeit vom Spin-off ‹SwissINSO› zur Marktreife gebracht und kommt im NEST in einer blaugrünen Variante zur Anwendung.

 

Sensoren zur Überwachung von Wohlfühlfaktoren

 

Neben Arbeitsplätzen für vier Personen bietet ‹SolAce› auch einen Wohnbereich mit Küche und Schlafmöglichkeiten für zwei Personen. Um das Versprechen optimalen Komforts einzulösen, versuchen die Forscher die individuelle Wahrnehmung der Nutzer mit Hilfe eines neuartigen Sensorsystem nachzuempfinden. Die Prototypen dieser Sensoren messen aus der Sicht der Benutzer – zum Beispiel einer arbeitenden Person am Schreibtisch – die Beleuchtungsverhältnisse und die Blendeffekte.

 

Die Echtzeit-Überwachung wird dazu genutzt, die Beleuchtungs- und Beschattungssysteme zu steuern. Wird ein bestimmter Blendwert überschritten, reagieren die geschwungenen Lamellenstoren und leiten die eindringenden Lichtstrahlen an die Decke. Mittels zirkadianer Beleuchtung sollen die Bewohner und Benutzer der Unit ‹SolAce› zudem in ihren Leistungs-, aber auch in ihren Erholungsphasen unterstützt werden. Zirkadiane Beleuchtung simuliert das Sonnenlicht im Tagesverlauf und fördert damit den natürlichen Wach-Schlaf-Rhythmus.

 

Saisonal dynamische Scheiben

 

Innovative Fenstergläser sollen einen zusätzlichen Beitrag zu einem behaglichen Wohn- und Arbeitsklima leisten – vor allem aber dazu führen, dass der Energieverbrauch für die Heizung im Winter und für die Kühlung im Sommer geringer wird. Für das menschliche Auge unsichtbare Mikrospiegel in einem Polymer-Film im Innern der Gläser lenken im Winter das hochwillkommene Licht für eine gleichmässige Ausleuchtung an die Decke im Innern der Unit und sorgen damit auch für ein natürliches Aufwärmen der Räume.

 

Im Sommer sorgen die gleichen Spiegel dafür, dass die Sonnenstrahlen von den Gläsern abgelenkt werden und sich die Räume nicht zusätzlich aufheizen. Die neuartige Verglasung wurde an der ETH Lausanne ebenfalls unter der Leitung von Andreas Schüler entwickelt. Für die Herstellung erster Prototypen nutzten die Forschenden einen Präzisionslaser der Empa in Thun.

 

Mittlerweile arbeitet das Team zusammen mit BASF Schweiz an einem industriellen Herstellungsprozess. Sobald erste Fenstergläser verfügbar sind, sollen diese in die ‹SolAce›-Fassade eingebaut werden. Der Sehkomfort der neuen Gläser wird dann von Forschenden des EPFL-Labors für Leistungsintegriertes Design vor Ort gemessen. Bis es soweit ist, kommen Referenzscheiben zum Einsatz, die Vergleichswerte liefern werden.

 


Link www.empa.ch/web/nest